Darf ein Häftling Hitlers "Mein Kampf" lesen?
Archivmeldung vom 31.10.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin Häftling der Justizvollzugsanstalt Werl (NRW) klagt vor dem Landgericht Arnsberg, weil ihm das Lesen von Hitlers »Mein Kampf« nicht erlaubt wird. Das bestätigte Gerichtssprecher Daniel Langesberg dem WESTFALEN-BLATT. Der Häftling sitzt wegen Raubes ein.
Vor einigen Wochen beantragte er, die im Januar erschienene kommentierte Neuauflage von »Mein Kampf« kaufen zu dürfen - ein zweibändiges, 1948 Seiten starkes Werk mit 3500 wissenschaftlichen Anmerkungen, herausgegeben vom Institut für Zeitgeschichte in München zum Preis von 59 Euro. Die Haftsanstalt lehnte den Antrag des Häftlings ab. Zu den konkreten Gründen wollte sich Anstaltsleiterin Maria Look nicht öffentlich äußern. Man sehe aber »die Gefahr einer Fehlinterpretation«, teilte sie dem WESTFALEN-BLATT mit. Der Häftling wandte sich an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg, weil er die Entscheidung der JVA-Chefin nicht hinnehmen möchte. Das Gericht hielt die zu klärende Frage für nicht alltäglich und ordnete dem Häftling eine Rechtsanwältin bei. Gerichtssprecher Daniel Langesberg: »Die Strafvollstreckungskammer hat gut zu tun. Wann sie über den Fall entscheidet, lässt sich noch nicht absehen.« Detlef Feige, Sprecher des nordrhein-westfälischen Justizministeriums, sagte: »Uns sind bisher keine Fälle von Buchablehnungen bekannt. Laut Vollzugsgesetz dürfen Gefangene Bücher besitzen, sofern diese die Sicherheit und Ordnung oder die Erreichung des Vollzugsziels nicht gefährden. Diese Voraussetzungen hat jede Anstaltsleitung in eigener Zuständigkeit zu überprüfen. Neben der Art des Buchs entscheidet auch die Persönlichkeit des Gefangenen darüber, ob ihm der Besitz versagt wird. Eine einheitliche Vorgabe durch das Ministerium verbietet sich daher.« Die Anwältin ist der Auffassung, es gehe um eine »Weiterbildung« ihres Mandanten, die man ihm nicht verweigern dürfe. »Schließlich hat sich Bundesbildungsministerin Johanna Wanka sogar dafür ausgesprochen, das Buch im Schulunterricht zu nutzen.« Die Frage, ob ihr Mandant rechtsradikalen Kreisen nahestehe, wollte die Anwältin nicht beantworten. Die im Januar erschienene kommentierte Ausgabe wurde bis August mehr als 80700 mal verkauft. Amazon teilt auf seiner Seite mit, dass es den Verkaufserlös Werks einer Organisation für NS-Opfer spende. Die Organisation nennt Amazon aber nicht.
Quelle: Westfalen-Blatt (ots)