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Türkische Frauenrechtlerin Seyran Ates warnt vor Viel-Ehe und Zwangsheirat bei Hochzeit ohne Standesamt

Archivmeldung vom 05.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die "Hochzeit ohne Standesamt" weckt große Befürchtungen. "In Deutschland werden der muslimischen Viel-Ehe und der Zwangsheirat Tür und Tor geöffnet", sagte die türkische Frauenrechtlerin Seyran Ates der in Essen erscheinenden Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ).

Die Rechtsanwältin bestätigte, dass mit der Reform des Personenstandsrechts, die ab Januar 2009 kirchliche und staatliche Eheschließung rechtlich nebeneinander stellt, die sogenannte Imam-Ehe in Deutschland legalisiert wird. "Hier kann künftig legal praktiziert werden, was in der Türkei verboten ist." Bei der Reform des Personenstandsrechts waren 2007 weithin unbemerkt zwei Paragrafen gestrichen worden, nach denen vor kirchlichen Trauungen und "religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung" eine standesamtliche Ehe geschlossen werden musste. Ab 2009 gilt das für alle Religionen nicht mehr, wie das bei der Reform federführende Innenministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) auf Anfrage bestätigte. "Für diese Reform fehlt mir jedes Verständnis", sagte Ates. Sie berge ausschließlich Nachteile für Frauen und Kinder, die in rein religiös geschlossenen Ehen meist weitaus weniger rechtliche Absicherung hätten als in staatlichen Ehen. "Das ist ein schrecklicher Rückschritt in einem Land, das gerade 50 Jahre Gleichberechtigung feiert", sagte Ates. Der muslimische Glaube erlaube einem Mann vier Ehen, und Zwangsheiraten würden beim Wegfall der standesamtlichen Meldepflicht in jedem Fall erleichtert. Bei SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz gingen "die Warnlampen an". Zwar wurden Verstöße gegen die Regelung "Standesamt vor Kirche" seit vielen Jahren rechtlich nur als Ordnungswidrigkeit begriffen. "Aber es war vollkommen selbstverständlich geworden, zuerst die standesamtliche Trauung zu vollziehen", sagte Wiefelspütz der WAZ. Er kann sich den Wegfall der Paragrafen nur als Versehen erklären. "Da ist uns etwas durchgegangen." Wiefelspütz befürchtet neben der Problematik von Mehr-Ehen und arrangierten Ehen auch mit dem Blick auf Sekten ernsthafte Schwierigkeiten für Frauen und Kinder. "Wenn ein Bruchteil der Befürchtungen, die man haben kann, Wirklichkeit wird, dann erleben wir einen massiven Rückfall in Zeiten, die wir lange hinter uns haben." Nach der Sommerpause werde sehr ernsthaft über eine Korrektur der Reform noch in diesem Jahr zu reden sein. "Der Gesetzgeber kann schnell sein, wenn er will."

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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