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Seit Silvestervorfällen drastischer Zuwachs bei Waffenscheinen in Norddeutschland

Archivmeldung vom 19.05.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.05.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Thorben Wengert / pixelio.de
Bild: Thorben Wengert / pixelio.de

Seit Jahresbeginn ist die Zahl der "Kleinen Waffenscheine" für Schreckschuss- und Gasdruckpistolen in allen norddeutschen Ländern sprunghaft angestiegen. In Niedersachsen waren im März etwa 34.200 Genehmigungen registriert - das sind 29 Prozent mehr als noch Ende 2015. In Hamburg lag der Zuwachs bei 17,8 Prozent, in Schleswig-Holstein bei 23 Prozent. Mecklenburg-Vorpommern verzeichnete einen Anstieg von fast 9 Prozent. Das geht aus einer Anfrage der Radiosender NDR Info und NDR 2 bei den zuständigen Innenministerien und Polizeibehörden hervor. Der Kleine Waffenschein ist nötig, um Schreckschuss- oder Gasdruckpistolen auch außerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen Grundstücks tragen zu dürfen. Waffenhändler und Wissenschaftler führen den Anstieg auf die sexuellen Übergriffe und Diebstähle in der Silvesternacht insbesondere in Köln und Hamburg zurück.

In Hamburg hat die Polizeibehörde in der Zeit von Januar bis März mehr als 800 dieser Genehmigungen neu ausgestellt. Das sind fast zehnmal so viele wie im gesamten vergangenen Jahr neu hinzukamen. In Niedersachsen sind nach Angaben des Innenministeriums im ersten Quartal mehr als 7800 neue Genehmigungen ausgestellt worden - fast vier Mal so viele wie im gesamten Jahr 2015. In Schleswig-Holstein hat sich der Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Rund 2300 neue Kleine Waffenscheine wurden dort von Januar bis März ausgestellt. Mecklenburg-Vorpommern übertraf die Vorjahreswerte schon nach wenigen Wochen: Bis Mitte Februar wurden 320 neue Genehmigungen erteilt, 40 Prozent mehr als im Vorjahr.

Fachhändler und der Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenhändler (VDB) berichten zudem von einem regelrechten Run auf Pfeffersprays. Der Frankfurter Hersteller DEF-TEC Defense Technology zum Beispiel steigerte nach eigenen Angaben seinen Umsatz im ersten Quartal um 1200 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Zeitweise habe man bis zu 13.000 Spraydosen täglich ausgeliefert.

Der stellvertretende Leiter der Psychiatrie an der Uniklinik Göttingen und Experte für Angststörungen, Prof. Dr. Borwin Bandelow, sieht in dieser Entwicklung eine direkte Reaktion auf die Silvester-Übergriffe: "Wenn eine neue Gefahr droht, die als unbeherrschbar und neu erscheint, dann ist die Angst der Menschen sehr viel größer als vor bekannten Gefahren. Dann kommt es zu Überreaktionen."

Die Hamburger Innenbehörde spricht dagegen nicht von einem direkten Zusammenhang zwischen der verstärkten Nachfrage nach dem Kleinen Waffenschein und den Ereignissen der Silvesternacht. Damals war es auch im Hamburger Stadtteil St. Pauli zu Übergriffen gekommen. Der Sprecher der Innenbehörde, Frank Reschreiter, erklärte: "Der Zeitraum ist zu kurz, um eine vernünftige Aussage dazu zu machen. Die Innenbehörde beobachtet diese Entwicklung aber. Es ist schwierig, etwas über die Motive zu sagen, weil beim Kleinen Waffenschein kein Bedürfnis nachgewiesen muss."

Die Polizei sieht die Verwendung von Pfeffersprays und Schreckschusswaffen durch Privatpersonen kritisch. Das Landeskriminalamt Niedersachsen etwa warnt davor, dass der voreilige Griff zu solchen Waffen angespannte Situationen noch verschlimmern kann. Außerdem seien sich viele Menschen nicht über die rechtlichen Folgen klar, erklärte LKA-Sprecherin Stephanie Weiß: "Der Einsatz von Pfefferspray oder auch einer Schreckschusswaffe ist immer eine Straftat, nämlich eine gefährliche Körperverletzung. Das ist immer nur in einer Notsituation gerechtfertigt. Man darf diese Waffe natürlich nicht einsetzen, wenn man einfach nur provoziert wird." Grundsätzlich sind Pfeffersprays in Deutschland nur für die Abwehr von aggressiven Tieren zugelassen. Gegen Menschen dürfen sie nur im absoluten Notfall eingesetzt werden.

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)

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