NSU-Prozess: Gutachter fordert Jugendstrafrecht für Carsten S.
Archivmeldung vom 03.06.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtIm Münchner NSU-Prozess könnte der wegen Beihilfe zum Mordes angeklagte Carsten S. nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden. Nach Informationen der "Welt" schreibt ein Psychiater in seinem Gutachten, dass es Hinweise auf eine Entwicklungsverzögerung gebe.
Carsten S. gehörte zum Umfeld der Jenaer Rechtsterroristen, die 1998 untertauchten. Er hat zugegeben, die Ceska-Pistole, mit der neun Migranten ermordet wurden, an Uwe B. und Uwe M. übergeben zu haben. Zum Zeitpunkt der Übergabe war er aber erst 19 oder 20 Jahre alt. Sollte das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen, würde das Strafmaß erheblich milder ausfallen. Carsten S. stieg unter anderem wegen seiner Homosexualität kurze Zeit später aus der Szene aus, studierte in Düsseldorf und arbeitete bei der dortigen AIDS-Hilfe.
Der Angeklagte hat wie der ebenfalls beschuldigte Holger G. angekündigt, vor Gericht aussagen zu wollen. Die Vernehmungen der beiden könnte am nächsten Verhandlungstag (Dienstag) beginnen. Holger G. gehörte zu den Unterstützern des Trios und versorgte sie bis 2011 mit Informationen und Dokumenten, mit denen die mutmaßlichen "NSU"-Mitglieder falsche Identitäten nutzen konnten. Er besuchte das Trio mehrfach in deren Sommerurlaub, so etwa im Jahre 2000, als er nach Usedom reiste. Dort luden ihn die Drei sogar zu einem Rundlfug ein: In zwei gechartetern Kleinflugzeugen umrundeten die Freunde die Ostseeinsel.
Dabei betonte Holger G., dass Beate Z., die letzte Überlebende der Gruppe, absolut gleichberechtigt neben den beiden Männern agierte. Sie trete selbstbewusst und zielstrebig auf. Holger G. hat ebenfalls umfassend ausgesagt und wurde wie Carsten S. nach seiner Haftentlassung im Mai 2012 in das Zeugenschutzprogramm des BKA aufgenommen. Beide leben heute unter neuem Namen in anderen Städten.
Bundesanwaltschaft rechnet mit hohen Kosten für NSU-Prozess
Der Prozess gegen Beate Z. und vier mutmaßliche Unterstützer der Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) wird den Steuerzahler viel Geld kosten: Nach einer ersten Schätzung der Bundesanwaltschaft, die sie Anfang des Jahres an das Bundesjustizministerium übermittelte, rechnet die Karlsruher Anklagebehörde mit einem Betrag von rund 20 Millionen Euro für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht München, wie der "Spiegel" in seiner am Montag erscheinenden Ausgabe berichtet.
Diese Kosten entstehen aus den Honoraren für die Verteidiger der Beschuldigten, Zeugen- und Sachverständigenentschädigungen, Übernachtungs- und Reisekosten sowie Dolmetscherhonoraren. Allein die Aufwendungen für die mehr als 80 Nebenkläger in dem Prozess und ihre Anwälte schlügen mit rund 13 Millionen Euro zu Buche, so die vertraulichen Schätzungen beim Generalbundesanwalt. Dessen Sprecherin wollte sich zu den Zahlen nicht äußern.
Die Kosten trägt zunächst Bayern, sie werden aber vom Bund erstattet. Falls Z. und ihre Mitangeklagten verurteilt werden, müssten sie für die Kosten aufkommen. Allerdings ist so gut wie ausgeschlossen, dass sie dazu in der Lage wären. Damit bliebe der Steuerzahler auf den Kosten sitzen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur