"Es gibt keinen gerechten Krieg" - Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland debattiert über Weiterentwicklung friedensethischer Fragen
Archivmeldung vom 07.11.2022
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.11.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićIn seinem Bericht über die Friedensarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat der Friedensbeauftragte, Landesbischof Friedrich Kramer, vor polarisierenden "Schwarz-Weiß-Mustern" gewarnt. Differenzierung und Vielstimmigkeit - gerade auch in friedensethischen Fragen - seien immer schon Kennzeichen der evangelischen Kirche.
"Diese zuzulassen und auszuhalten, ist eine ihrer großen Stärken."Als Kirche können und müssen wir ein Vorbild dafür sein, wie mit dieser Vielstimmigkeit bis hin zu gegensätzlichen Sichtweisen konstruktiv umgegangen werden kann", so Kramer. Ähnlich hatte sich in Ihrem Ratsbericht am Vortag auch die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus geäußert. Eine Rolle der Kirche sei "Dilemmata zu formulieren, wo es vermeintlich nur richtig oder falsch gibt. Ich halte dies für eine immens wichtige, ja friedenstiftende christliche Freiheit, die wir ergreifen müssen", so Kurschus.
Eine Reduzierung der friedensethischen Debatte auf die Fragen der Waffenlieferungen werde der Komplexität der Problematik nicht gerecht, sagte auch Kramer und warb für eine differenzierte friedensethische Debatte. "Wir kommen nicht schuldlos aus diesen Fragen heraus, weil der Krieg selbst das Böse ist. Es gibt keinen gerechten Krieg. Und die dringende Frage ist, wie wir aus dem ungerechten Krieg in einen gerechten Frieden kommen können."
Kramer unterstrich die volle Solidarität mit der Ukraine und deren Selbstverteidigungsrecht. Zugleich erinnerte er in seinem Bericht an die Pflicht, den leidenden und flüchtenden Menschen der Ukraine beizustehen, sie mit Hilfsgütern, Unterkünften und bei der Aufklärung und Ahndung der Kriegsverbrechen zu unterstützen. Ebenso bestehe eine Verantwortung gegenüber Menschen im globalen Süden und Osten, die unter den Folgen des Krieges gegen die Ukraine leiden. "Als Christenmenschen haben wir eine Verantwortung und müssen uns dafür einsetzen, Not und eine extreme Zunahme des Hungers abzuwenden.", so Kramer.
In der Debatte über den Bericht wurde unter anderem die Notwendigkeit betont, Fragen von Krieg und Flucht und Klima stärker zusammenzudenken, vor isolationistischen Positionen gewarnt und hervorgehoben, dass der Vernichtungskrieg nicht nur zum Ziel habe, ein Land zu erobern, sondern dabei auch Kultur, Sprache und Identität zerstört.
Der Rat der EKD hatte die Konferenz für Friedensarbeit im März beauftragt, ein Konzept für die Weiterentwicklung der friedensethischen Grundsätze der EKD vorzulegen. Daraufhin hatte diese eine Friedenswerkstatt gegründet, um einen breiten Konsultationsprozess anzustoßen.
Quelle: EKD - Evangelische Kirche in Deutschland (ots)