Leipziger Volkszeitung zum Fußball-Meister
Archivmeldung vom 08.05.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.05.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWieder der FC Bayern. Zum 20. Mal deutscher Fußball-Meister, als erster Klub das Double verteidigt - die Dominanz der Münchner ist erdrückend, erstickt die Bundesliga in Langeweile. Richtig gut gespielt haben sie selten, aber am konstantesten. Der Titel ist hoch verdient, auch weil die schwächelnde Konkurrenz früh kapitulierte, nie ernsthafte Ambitionen hegte. Hamburg, Bremen und Schalke blicken demütig zum Branchenprimus auf.
Der besitzt die
dickste Brieftasche, das ausgeglichenste Team, ein fantastisches
Stadion und das beste Management.
Dass der Bayern-Jubel seltsam gedämpft ausfiel, liegt nicht nur an
Siegesroutine. Der Verein wollte sich an der Champions League messen
lassen. Das Achtelfinal-Aus gegen den AC Mailand geriet zum Schock,
zur Desillusionierung, führte intern zu latenter Unzufriedenheit und
in den Medien zu harscher Kritik. Trainer Felix Magath sieht sich
nicht gebührend gewürdigt, Michael Ballacks langer Abschied und
Oliver Kahns Auswahl-Ausbootung wurden zu zusätzlichen Brandherden.
Bei Manager Uli Hoeneß reifte die bittere, an Ohnmacht grenzende
Erkenntnis, den Spitzenklubs aus Italien, Spanien und England auf
Dauer nicht Paroli bieten zu können. Die generieren vom Fernsehen bis
zu fünffach höhere Beträge, während die Bayern der zentralen
deutschen TV-Vermarktung unterliegen. Für das Prinzip Solidarität
muss ihnen die Liga sogar dankbar sein, die Kluft zwischen arm und
reich wäre sonst deutlich größer.
Hoeneß, seit jeher stolz darauf, statt der Kredit- nur die
Festgeldabteilungen der Banken zu kennen, scheut das Risiko und wird
trotz der Empfehlung von Willy Sagnol, einen Weltstar wie Adriano zu
holen, wohl die Millionen auf dem Konto belassen und sich lieber in
heimischen Gefilden bedienen. Lukas Podolski und Daniel van Buyten
sollen kommen. Sicher hier zu Lande das Beste vom Besten, aber auch
geeignet für einen Angriff auf den europäischen Thron? Wer die
Halbfinals der Königsklasse erlebt hat, wähnte sich bei Tempo, Taktik
und individueller Perfektion in einer anderen Welt.
Der deutsche Fußball hinkt hinterher, die Aussichten für die WM
müssen aber nicht trübe sein. Mit optimaler Fitness und dem
Heimvorteil im Rücken scheint auf einer Welle der Begeisterung vieles
möglich, zumal selbst die favorisierten Nationalteams in der kurzen
Vorbereitung nicht solche Automatismen entwickeln können wie
Barcelona, Arsenal oder Milan.
Jürgen Klinsmann wird froh sein, dass seine Bayern-Spieler schon die
Schale und so eine Woche mehr Erholungszeit haben. Bis zum
WM-Showdown darf sich die Fußball-Nation noch auf die
Bundesliga-Endspiele um Platz zwei und den Klassenerhalt freuen. Und
der Osten - trotz des drohenden Dresdner Desasters - hoffentlich auf
die Aufstiege von Cottbus und Jena. Beide zeigen, was mit relativ
kleinem Geld möglich ist. Zumindest national.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung