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Zehnkämpfer Andreas Bechmann: "Im Sport und in der Start-up-Welt gerät man oft in unvorhersehbare Situationen"

Archivmeldung vom 30.06.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.06.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Andreas Bechmann (2021) Bild: privat
Andreas Bechmann (2021) Bild: privat

Mit 21 Jahren ist Andreas Bechmann gut beschäftigt: Als Zehnkämpfer geht er in einer sehr trainingsintensiven Disziplin an den Start, als General-Management-Student an der accadis Hochschule in Bad Homburg plant er bald seinen Bachelor-Abschluss und steht zudem mit seinem Insure-Tech Start-up in den Startlöchern.

Das Corona-Jahr nutzte Bechmann, um auf allen Gebieten die nächsten Schritte zu gehen.

Andreas, mitten in der dritten Corona-Welle bist Du bei Anfang März bei der Hallen-EM in Polen an den Start gegangen und Sechster im Siebenkampf geworden - hast Dich dort allerdings auch mit Corona infiziert. Wie siehst Du die Veranstaltung rückblickend?

Die Hallen-EM war ja eines der ersten internationalen Sportfeste in diesem Jahr überhaupt. Ich finde es nach wie vor gut, dass hier proaktiv überlegt wurde, wie man Sport stattfinden lassen kann. Das Hygienekonzept war mit häufigen Test und überall geltender Maskenpflicht - außer beim Aufwärmen - eigentlich sehr streng. Letztlich gab es aber doch in zwei Hotels größere Ausbrüche.

Davor gab es über ein Jahr überhaupt keine Wettkämpfe für Euch Mehrkämpfer. Wie hast Du den Beginn der Pandemie erlebt?

Als Individualsportler durften wir relativ schnell wieder an die Sportstätten zurück, aber kritisch war die Zeit zwischen dem ersten Lockdown und der Olympia-Verschiebung - man durfte nicht trainieren, musste sich aber weiter auf den Saisonhöhepunkt vorbereiten. Erst die IOC-Entscheidung hat dann für die meisten Athleten den Druck etwas herausgenommen.

Wie war das bei Dir?

Wir waren im Trainingslager in Südafrika und wurden mit einer der letzten Maschinen nach Deutschland ausgeflogen. Zuhause ging dann nichts mehr. Im Zehnkampf ist es ja nicht mit Waldläufen getan. Mit Speer und Diskus sind wir in den Park gegangen, da kam dann einmal sogar die Polizei und hat uns kontrolliert (lacht). Das war schon alles abenteuerlich. Aber als Sportler muss man manchmal kreativ werden.

Du studierst "General Management" - was beinhaltet der Studiengang?

Ein General-Management-Student ist so etwas wie der Zehnkämpfer der BWL: Du lernst alle Skills ein bisschen, Finance, Marketing, Accounting, IT und so weiter. Von allen Bereichen ausreichend zu verstehen, hilft, um im Gesamtkontext richtig reagieren zu können. Nicht umsonst ist aus einem Uni-Projekt ein mit einigen Kommilitonen gegründetes Start-up hervorgegangen, das große Schritte macht und nun vor der ersten Finanzierungsrunde steht.

Profitierst Du von der Kreativität im Sport auch bei Deiner Dualen Karriere?

Absolut. Im Sport gerät man trotz aller Vorbereitung oft in unvorhersehbare Situationen, das ist als Gründer nicht anders. Zu wenig Geld, zu wenig Zeit, zu wenig Ressourcen, zu wenig Wissen, zu wenig Kontakte - da muss man lernen, kreativ zu werden und effektiv zu arbeiten. Als Sportler lernt man das unterbewusst. Aber der Sport ist anders als das Geschäftsleben, dort geht es nicht immer objektiv messerbar zu. Ein Start-up kann man zum Beispiel nicht "gewinnen". Da kommt es auf Transferwissen an.

Was beide Disziplinen, die Start-up-Welt wie der Sport gemein haben, sind unvorhergesehene Rückschlage. Wie gehst Du damit um?

Das ist part of the game. Mit Rückschlägen und Kritik umzugehen, dazu wird man als Sportler schnell erzogen. Was mich aber stört, ist die Wahrnehmung von "Scheitern". In Deutschland ist der Begriff nur negativ konnotiert, es gibt keine wirkliche Fehlerkultur. Dabei gibt es diesen schönen, klischeehaften Spruch: Du kannst entweder gewinnen oder du kannst lernen. Ich glaube, so muss man in beiden Welten an die Sache herangehen.

Wie kommst Du mit der Mehrfachbelastung aus Uni, Leistungssport und Start-up zurecht?

Eine Privatuni ist natürlich teuer, aber das habe ich mir selbst ausgesucht, weil ich es für das richtige Investment in meine Karriere halte. Momentan finanziert mir der Sport das Studium. Als "Amateursportler" muss man gut haushalten und ist auf Unterstützer wie die Sporthilfe und das Deutsche Bank Sport-Stipendium angewiesen. Was das Zeitliche anbelangt: In einen 24-Stunden-Tag passt viel rein, wenn man es sich richtig aufteilt und effizient arbeitet.

Auch der Zehnkampf ist sehr zeitaufwendig. Was macht für Dich den Reiz aus?

Ein Zehnkampf ist sehr anstrengend, körperlich und geistig, Es ist nicht so, dass ich mir währenddessen non-stop sage: Hey, das ist der geilste Sport der Welt. Man geht auch nicht durch einen Zehnkampf und hat keinerlei körperliche Probleme. Aber es danach geschafft zu haben, das macht stolz und gibt dir ein sehr gutes Gefühl. Zudem ist der Zusammenhalt, auch international, zwischen den Athleten ganz besonders, das gibt es nirgendwo sonst.

Die Olympischen Spiele in Tokio finden im Sommer noch ohne Dich statt. Wie sehen Deine sportlichen Ziele aus?

Es geht jetzt Schlag auf Schlag, 2022 ist die WM in den USA, die Heim-EM in München und dann ist es nur noch ein Jahr bis zu den Olympischen Spielen in Paris. Ich bin da relativ entspannt, mit 21 Jahren sollte mir die beste Zeit im Zehnkampf noch bevorstehen.

Steckbrief

  • Andreas Bechmann (* 28. September 1999 in Frankfurt am Main)
  • Sportart: Leichtathletik/Zehnkampf
  • Wohnort: Frankfurt am Main
  • Verein: Eintracht Frankfurt
  • Größte Erfolge: Hallen-EM-Fünfter 2019, Hallen-EM-Sechster 2021
  • Studium: General Management
  • Universität: accadis Hochschule Bad Homburg


Quelle: Stiftung Deutsche Sporthilfe (ots)

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