Dominanz weniger Spitzenteams gefährdet die Spannung in europäischen Fußball-Ligen
Archivmeldung vom 20.02.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.02.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie deutsche Bundesliga ist im europaweiten Vergleich gut aufgestellt. Mit einer spannenden Liga, wirtschaftlich gesunden Vereinen und einer starken Verwurzelung in der deutschen Gesellschaft könnte sie in naher Zukunft zur größten und erfolgreichsten Liga in Europa werden, lautet die Schlussfolgerung einer gemeinsamen Studie von Sportwissenschaftlern der Universität Tübingen und Roland Berger Strategy Consultants.
In der Studie „How exciting are the major European football leagues“ wird die „Spannung“ in den fünf großen europäischen Fußballligen (Deutschland, England, Spanien, Italien, Frankreich) untersucht. „Spannung“ wird von den Studienautoren dabei als „hohes Niveau an Wettbewerbsintensität“ definiert. Dabei wurde die Entwicklung der Spannung zwischen den Spielzeiten 1991/92 bis 2011/12 anhand von mehreren statistischen Kennzahlen analysiert: Langfristig (über mehrere Saisons hinweg), mittelfristig (innerhalb einer Saison) sowie kurzfristig (Analyse der Vorhersagbarkeit konkreter Partien anhand von Wettquoten).
Demnach haben die Fußball-Ligen in Deutschland und Frankreich eine im Ländervergleich relativ hohe Wettbewerbsintensität. Sie bestehen also aus Vereinen mit vergleichsweise ausgeglichener Spielstärke und wirtschaftlicher Situation und bilden damit auch die spannendsten Ligen. England und Spanien zeigen dagegen die geringste Wettbewerbsintensität unter den Fußballvereinen. „Allerdings sind für die gefühlte Spannung aus Sicht der Fans weitere Faktoren wichtig“, sagt Professor Tim Pawlowski, Leiter des Arbeitsbereichs Sportökonomik, Sportmanagement und Sportpublizistik an der Universität Tübingen, „wie beispielsweise die Historie und Beliebtheit eines Vereins oder auch lokale Derbies“.
Die Wettbewerbsintensität hat in den vergangenen zehn Jahren allerdings in allen Ligen abgenommen. Der Hauptgrund hierfür sind die ungleichen finanziellen Möglichkeiten der Vereine. „Spitzen-Teams setzen sich von den kleinen Vereinen teils deutlich ab", sagt Professor Björn Bloching, Partner bei Roland Berger Strategy Consultants. „Das liegt vor allem an den hohen Prämien der UEFA Champions League.“ So sei der Kampf um die Meisterschaft (die sogenannte mittelfristige Wettbewerbsintensität) in Spanien im Vergleich zu den anderen europäischen Ligen am langweiligsten. „Die Dominanz der beiden prämien- und schuldenfinanzierten Starensembles von Real Madrid und dem FC Barcelona macht einen echten Wettbewerb unmöglich“, sagt Bloching. In Frankreich, das in punkto Wettbewerbsintensität im Ranking vor Deutschland auf Platz eins liegt, fehlt dagegen die ganz breite Popularität des Fußballs. Grund sind mangelnde internationale Erfolge der französischen Fußballvereine und der Nationalmannschaft sowie die Konkurrenz durch den Volkssport Rugby. Am schlechtesten schneiden England und Spanien ab.
Die UEFA (Union of European Football Association) will mit ihrem Reglement zum „Financial Fair Play“ dafür sorgen, dass Vereine nicht mehr über ihre Verhältnisse leben bzw. mehr ausgeben als sie einnehmen. Andernfalls drohen harte Sanktionen, wie im Falle des FC Malaga, der bereits für ein Jahr von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen wurde. „Mit dieser Praxis kann die UEFA – sollte sie die Regeln stringent umsetzen – wieder für mehr Ausgeglichenheit und Spannung sorgen, indem schuldenfinanzierte Einkaufspolitik eingedämmt wird“, sagt Bloching. Allerdings werde es so vermutlich weniger überraschende Aufstiegsgeschichten wie die des FC Chelsea, von Manchester City oder Paris Saint-Germain geben. Profitieren werden von den Regelungen Teams mit starken Marken und hohen Erlösen aus dem Fußballgeschäft, wie Manchester United, Real Madrid und der FC Bayern.
Solange jedoch das Champions League-Geld weiter in Strömen an große Vereine fließe, gehe der aktuelle Trend weiter, trotz potenziell positiver Nebeneffekte durch das „Financial Fair Play“, da sind sich die Studienautoren einig. Mittelfristig könnten Fans langweiligen Ligen den Rücken kehren, so ihre Prognose. In Italien und Spanien sei in den letzten Jahren bereits ein Zuschauerschwund zu beobachten, mit Ausnahme der wenigen Top-Spiele. Durch die sinkende Reichweite könnte sich mittelfristig auch das Interesse der Sponsoren an den Ligen reduzieren. „Eine Zentralvermarktung und Umverteilung der TV-Einnahmen zwischen den Vereinen wie in Deutschland könnte den Negativtrend in Spanien abmildern“, sagt Pawlowski. „Allerdings hängt die Wirkung hierbei maßgeblich vom Verteilungsschlüssel ab.“
Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen (idw)