Sebastian Deisler bricht sein Schweigen
Archivmeldung vom 29.09.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSebastian Deisler hat acht Monate nach seinem Karriereende sein Schweigen gebrochen. Im Interview mit dem "Tagesspiegel am Sonntag" spricht er erstmals über die Gründe, aus dem Fußballgeschäft auszusteigen. "Es geht im Fußball sehr viel um Status, um Titel, um Ego, um Macht", sagte Deisler.
"Das Geschäft hat
zu schnell Besitz ergriffen von mir. Ich habe nie die Zeit gehabt zum
Wachsen, nie die Zeit, erwachsen zu werden, ich hatte nicht mal die
Zeit, Fehler zu machen." Der 27 Jahre alte Deisler hatte bei Borussia
Mönchengladbach, Hertha BSC und Bayern München gespielt. Er war oft
verletzt und musste sich wegen Depressionen behandeln lassen. Im
Januar 2007 beendete er seine Karriere.
In dem Interview redet Deisler sehr persönlich über seinen
Entschluss, den Sport aufzugeben. "Ich bin zu der Erkenntnis gelangt,
dass ich so, wie alles gelaufen ist, nicht geschaffen war für dieses
Geschäft. Am Ende war ich leer, ich war alt, ich war müde. Ich bin so
weit gelaufen, wie mich meine Beine getragen haben, mehr ging nicht."
Deisler berichtet im "Tagesspiegel am Sonntag" auch von seinen
Versuchen, sich anzupassen an das Geschäft. "Ich habe so lange
gekämpft gegen mich, ich habe Krieg geführt gegen mich, bis ich es
nicht mehr ausgehalten habe. Deswegen habe ich einen Schlussstrich
gezogen." Er habe sich lange Zeit darum bemüht, den Schein zu wahren.
"Ich trug eine Maske, innerlich habe ich dagegen rebelliert." Es habe
auch Phasen gegeben, in denen er versucht habe, sich über
Äußerlichkeiten zu definieren. Deisler: "Aber ich kam mir so
lächerlich vor. In Berlin habe ich in meiner Wohnung gesessen, ich
war bekannt in ganz Deutschland, ich war oben angekommen, und vor der
Tür stand ein Mercedes. Aber das alles hat mich nicht glücklich
gemacht. Ich habe mich gefragt, war's das jetzt? Ich war
todunglücklich." Beim FC Bayern habe er versucht, in die Mitte des
Spiels kommen, "um einen neuen Geist hereinzubringen, mehr Freude am
Spiel, mehr miteinander und nicht dieses Egobetonte".
Deisler sagte, man stumpfe ab im Fußballgeschäft. "Ich kann das aber nicht. Ich lebe als Fußballer und Mensch von meiner Intuition, von meinem Gefühl." Er sei kein Mitläufertyp, sagte Deisler. "Aber ich bin auch kein Effenberg. Ich habe lange versucht, im Fußball zu überleben, wollte hart und kühl sein. Aber so bin ich nicht. Ich habe mich selbst verletzt. Ich hätte früher versuchen sollen, mich zu öffnen. Aber ich hatte Angst davor."
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel am Sonntag