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Haseloff warnt vor Ost-West-Vergleich beim Doping

Archivmeldung vom 06.08.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.08.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Bernd Wachtmeister / pixelio.de
Bild: Bernd Wachtmeister / pixelio.de

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat davor gewarnt, die Dopingmethoden im Westen mit denen der DDR zu vergleichen. Haseloff sagte der "Welt": "Der Bericht über Sportdoping im Westen erfordert eine ebenso eindeutige Aufklärung wie im Osten. Allerdings ist klar: Man kann Doping im Westen nicht mit dem staatlich verordneten Doping der DDR vergleichen."

Der CDU-Politiker erinnerte daran, dass Doping im Osten "ein ideologisches Mittel im Kampf der Staatssysteme" gewesen sei.

Stegner will Doping per Gesetz verbieten

Nach den Enthüllungen über systematisches Doping in der Bundesrepublik hat sich der Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, für harte Konsequenzen ausgesprochen: "Ich bin für ein gesetzliches Doping-Verbot und auch für empfindliche Strafen für alle, die von Doping zu profitieren versuchen, also keineswegs nur für Sportler, sondern auch Ärzte und Verkäufer", sagte Stegner "Handelsblatt-Online". In schweren Fällen könne das auch eine Haftstrafe sein. "Nur so ist fairer Sport möglich, der Fans begeistert und ethischen Grundsätzen entspricht", betonte das SPD-Bundesvorstandsmitglied.

Ein Doping-Verbot empfehlen auch die Wissenschaftler der Humboldt-Universität, durch deren Studie am Wochenende bekannt wurde, dass der Staat in den 1970er-Jahren Versuche zur Erforschung von leistungssteigernden Substanzen über das Bundesinstitut für Sportwissenschaft finanzierte. Die Studie legt den Schluss nahe, dass die Politik Doping nicht nur gebilligt, sondern auch gefördert hat. Zu einem möglichen Doping-Verbot schreiben die Experten in ihrer Untersuchung: "Doping-Verbot durch ein Gesetz sowie die Berücksichtigung des Aspektes des Verstoßes gegen die "guten Sitten" ist ein unerlässlicher, zeitnah zu implementierender Schritt. Die ausdifferenzierte Definition der Strafbarkeit des Athleten gehört hinzu."

Umstrittene Doping-Studie veröffentlicht

Nach monatelangem Zögern ist am Montag der Bericht von Forschern der HU Berlin und der Universität Münster auf der Internetseite des Bundesinstitutes für Sportwissenschaft veröffentlicht worden. "Die Dopinggeschichte in Westdeutschland reicht weit zurück, man kann sagen: bis in die Anfänge der Bundesrepublik Deutschland. Schon relativ früh werden die Anfänge des Missbrauchs verbotener leistungssteigernder Mittel im Spitzensport sichtbar", schreiben die Forscher zu Beginn der Zusammenfassung.

In der Sportpraxis kamen Amphetamine bis 1960 im deutschen Sport nicht nur im Radsport oder in der Leichtathletik zum Einsatz, sondern ab Ende der 1940er Jahre auch im deutschen Fußballsport. Später seit immer systematischer gedopt worden, und zwar nach Angaben der Forscher nicht - wie oft behauptet - wegen des Erfolges des DDR-Sports. Statt dessen habe es bereits während der "präanabolen Phase" in der Bundesrepublik verbreitete Hormon-Dopingpraktiken gegeben. Ab den 1970er Jahren ergebe sich ein Bild breiter gelagerten Missbrauchs. Die Forscher kommen für die Zeit der 1970er und 1980er Jahre zu dem Schluss, dass unter dem Deckmantel von wissenschaftlicher Arbeit ein verdeckter Versuch systemischen Dopings erfolgt sei, "der die Sphäre von Grundlagenforschung hinter sich gelassen hatte".

Insgesamt könne als gesichert angenommen werden, dass der Kreis der Mitwisser groß gewesen sei: "Im Sport waren dies die Spitzen im DSB und NOK, der BA-L, das BISp und über die Anwesenheit der BMI-Vertreter letztlich auch die Fachaufsicht", heißt es im Bericht. "Dabei koordinierte das BISp Forschungen mit Anabolika, Testosteron und anderen für Dopingzwecke geeigneten bzw. als geeignet eingeschätzten Substanzen."

Für die Zeit nach der Wiedervereinigung bis zum Jahr 2007 konnten die Wissenschaftler nach eigenen Angaben nur bedingt Daten auswerten. So bleibe die Frage ungeklärt, ob die Sportmedizin bei den umstrittenen Testosteron-Forschungen auch nach 1990 noch Steuermittel erhielt. Dies liege einerseits daran, dass viele Dokumente mit einer Sperrfrist von 30 Jahren versehen seien, und außerdem viele Verantwortliche in den Verbänden oder in anderen relevanten Institutionen noch aktiv seien. "Anders gesagt: Von Personen, die möglicherweise in der Frage des Dopings belastet sind, kann i. d. R. Mitarbeit bei der Doping-Aufklärung nicht bzw. nur bedingt erwartet werden", heißt es.

"Further research is needed" resümieren die Wissenschaftler am Ende.

Sportmediziner zweifeln Doping-Studie an

Während unter dem Druck der Öffentlichkeit gestern die Entscheidung fiel, die Doping-Studie der Humboldt-Universität schleunigst zu veröffentlichen, gehen die deutschen Sportärzte in die Offensive. Ihr Verbandspräsident bezweifelt in einem Gespräch mit der in Hagen erscheinenden WESTFALENPOST, dass die Studie wissenschaftlichen Ansprüchen genügen würde.

Und so kommt Professor Dr. med. Klaus-Michael Braumann als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) ordentlich in Fahrt, wenn er auf die jüngsten Veröffentlichungen der Berliner Wissenschaftler angesprochen wird. "Was dort vorgelegt wurde, ist möglicherweise journalistisch eine spannende Geschichte, genügt aber nur bedingt den Kriterien guter wissenschaftlicher Praxis. Das wurde vom Projektbeirat mehrfach angemahnt. Hier den Anspruch einer "wissenschaftlichen Studie" zu formulieren, hat schon eine gewisse Chuzpe", sagt Braumann. Und er muss es wissen. Schließlich hat der Sportmediziner als Projektbeirat der Humboldt-Universität intime Kenntnisse der 800 Seiten, die angeblich den Schluss zulassen, westdeutsche Politiker und Ärzte hätten in den 70er Jahren systemisches Doping befördert.

Diesen Schluss will Prof. Braumann nicht ziehen: "Mich stört, dass die Autoren die moralische Keule auspacken und mit den Erkenntnissen von 2013 den Stab brechen über die Wissenschaft der 70er und frühen 80er Jahre." Natürlich habe es damals schwarze Schafe gegeben, daraus aber die These eines systemischen - also eines groß angelegten und gewollten nationalen Dopings abzuleiten, findet der Sportmediziner unzulässig. Denn diese These fuße auf, so Braumann, falschen Grundlagen. Er nennt drei Beispiele:

  1. In der Öffentlichkeit gehe es immer wieder um die sogenannte Kolbe-Spritze. Diese sei, anders als in der Studie angenommen, allerdings keine Doping-Spritze gewesen. Vielmehr habe es sich bei dem verabreichten Präparat um einen simplen Vitamin-B-Komplex gehandelt, den damals Tausende Ärzte auch Tausenden Patienten verabreicht hätten. "Ob diese Präparate über einen psychologischen Effekt hinaus überhaupt wirksam sind oder waren wird bis heute bezweifelt."
  2. Der in der Studie zitierte "Vater des Sportherzens" Professor Herbert Reindell habe bei seinen schwer herzkranken Patienten zwar durch bestimmte Medikamente eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit erreicht - mit Doping aber habe das rein gar nichts zu tun. Braumann: "Leider waren die Autoren der Studie nicht davon zu überzeugen, dass leistungsverbessernd nicht immer gleich leistungssteigernd im Doping-sinne bedeutet."
  3. Die sogenannten "Luftduschen", die bei Schwimmsportlern durch in den Darmtrakt zugeführte Luft für Auftrieb sorgen sollen, sind zwar unappetitlich, das mit Doping in Verbindung zu bringen aber sei "lächerlich". Wie auch die Anwendung der bereits damals belächelten "Kolbe" Spritze kann man die Anwendung dieser Methodik allenfalls als Ausdruck des verzweifelten Bemühens der deutschen Sportfunktionäre betrachten, Erfolg um jeden Preis zu erringen.

Insgesamt ist für den DGSP-Präsidenten die aktuelle Aufregung um das Thema nicht nachvollziehbar. Die Studie sei "bekannt, an einigen Stellen banal und habe mit Doping teilweise nichts zu tun". Braumann streitet natürlich nicht ab, dass auch in der Bundesrepublik in den 70er und 80er Jahren gedopt wurde. "Allerdings war das regional unterschiedlich ausgeprägt. Und einige Sportärzte haben auch die eigene Bedeutung in der Szene mit zweifelhaften Methoden damals steigern wollen."

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch der ehemalige Präsident des Sportärztebundes NRW, Prof. Dr. Herbert Löllgen. Er zweifelt vor allem den Teil der Doping-Studie an, der von der Uni Münster kommt. Zwei Jahre war dort das Thema "Doping in den Medien" untersucht worden. Allerdings nur anhand von zwei Wochen- und zwei Tageszeitungen", kritisiert Prof. Löllgen. Und weiter: "Dort wurde nicht einmal unterschieden zwischen den Textformen Kommentar und Bericht. Der wissenschaftliche Wert ist daher zweifelhaft." Herbert Löllgen empfindet die aktuelle Debatte als "zu hoch gehängt". Auch damals habe es Sportler gegeben, die aus eigenem Ehrgeiz und aus finanzieller Motivation heraus zu Mitteln gegriffen hätten, die auf der Dopingliste standen. Löllgen: "Allerdings war diese Liste lange Jahre nicht vor allen Sportverbänden anerkannt. Juristisch bedeutete die Einnahme damals möglicherweise Medikamenten-Missbrauch, nicht aber Doping." Ob ein Gutachten des Deutschen Fußballbundes (DFB) in eine ähnliche Richtung geht, lässt sich allenverfalls vermuten. Auf jeden Fall tritt der DFB Behauptungen entgegen, einige Mitglieder der Nationalmannschaft von 1966 hätten einen anregenden Cocktail aus Amphetaminen erhalten. Dazu DFB-Mediendirektor Ralf Köttker: "Der renommierte Jura-Professor Martin Nolte von der Sporthochschule Köln hat sich in einer wissenschaftlichen Studie intensiv mit der WM 1966 befasst und kommt zu dem klaren Ergebnis, dass bei der deutschen Mannschaft kein Dopingvergehen vorlag."

Quelle: dts Nachrichtenagentur / Westfalenpost (ots)

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