Real Madrid: Zurück in die Zukunft
Archivmeldung vom 29.06.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.06.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittTrotz Wirtschaftskrise, Nordkorea-Konflikt und Terrordrohungen ist es erstaunlich, dass sich tagtäglich vor allem eine Meldung durch alle Teile der Weltpresse verbreitet: der Portugiese Cristiano Ronaldo dos Santos (24) und sein Transfer von Manchester United (England) zu Real Madrid (Spanien).
Ob Trainer, Politiker, Stammtischredner, Finanzexperten oder Paris Hilton: Ronaldo läßt keinen kalt und zeigt somit, dass Reals 94-Millionen-Transfer die Tür zu einer neuen Dimension weit aufgestoßen hat, die der Galaktischen 2.0.
Erstaunlich ist das enorme Echo auf diesen Transfer allemal. Schließlich wurden bereits 2001 für Zinedin Zidane sage und schreibe umgerechnet 72 Millionen Euro bezahlt. Ein Transfer, den heutzutage niemand mehr in Frage stellt. Die Bayern-Chefetage reagierte damals jedoch mit deutlichen Worten und bezweifelte die Summe selbst. Uli Hoehneß sprach von “reiner Bilanzschieberei". Bei den “Königlichen" hingegen benannte man die Saisonvorbereitung kurz in Asien- und später Welttournee um, was man in München genervt als “Zirkus" abqualifizierte, bevor man im Sommer 2008, wie selbstverständlich, zum ersten Mal selbst in seiner Eigenschaft als “Global Player" für ein Freundschaftsspiel nach Tokyo flog.
Mit Florentino Perez erster “Galaxie" kam es nach einer sehr erfolgreichen Phase von zwei Champions-League-Titeln, zwei Ligen, dem Interkontinental-Pokal und weiteren Pokalen sportlich zu einer Bruchlandung. Genau genommen dann, als kein Galaktischer mehr geholt wurde. Dennoch konnte der Umsatz von 117 Millionen (1999/2000) nach und nach auf über 400 Millionen (verabschiedeter Haushalt 2008/2009) erhöht werden. Doch Real Madrid hatte sich längst vom sportlichen Erfolg unabhängig gemacht und verdiente, ohne im fünften Jahr in Folge über das Achtelfinale der Championsleague hinaus zu kommen, mehr als jeder andere Sportverein weltweit, egal in welcher Sportart.
Nun kam der 2006 als Präsident abgetretene Baulöwe Florentino Perez mit der zündenden Idee zurück, statt auf 2 bis 3 Jahre verteilt 300 Millionen Euro in internationale Mittelklasse zu stecken nun diese auf einen Schlag in die besten verfügbaren Spieler des Marktes zu investieren, und holte die von seinem Vorgänger bereits vor Jahren versprochenen Wunschtransfers Kaka und Ronaldo gleich im Doppelpack. Die Real-Madrid-Fans dankten ihm dies mit einer Wahlprognose von 95 Prozent der Mitgliederstimmen, die jeden anderen ernsthaften Kandidaten auch aufgrund der bei Real Madrid geforderten Bürgschaft von 57 Millionen Euro, die Amtsmißbrauch vorbeugen soll, dankend abwinken ließ. Schließlich kam Florentino Perez ohne sich zur Wahl stellen zu müssen und machte gleich in den ersten Tagen Ernst.
Doch Real Madrid polarisiert, schreckt Gegner und Neider auf. Jetzt waren es Ethik, angeblich fehlende Wirtschaftlichkeit oder das Ende des Fußballs schlechthin, was diese kritisieren. Dabei warf man in den letzten drei Jahren Real vor, kein Geld mehr auszugeben beziehungsweise nicht interessant genug für Top-Transfers zu sein. Davon scheint jetzt keine Rede mehr zu sein, denn selbst Spieler, die zum Beispiel mit Champions-League-Sieger Barcelona in Verbindung gebracht wurden, reden offen davon, gerne Teil des neuen Projekts sein zu wollen. Real Madrid ist auf dem besten Weg, wieder der Traum eines jeden Fußballspielers zu sein und, rein sportlich gesehen, sind Kaka, Ronaldo und die anderen Spieler der "königlichen" Wunschliste über jeden Zweifel erhaben.
Doch auch die Ethik-Frage ist doppelzüngig. Schon immer gab es im Fußball Transfers, die alles andere dagewesene sprengten, und die 94 Millionen für Ronaldo machen niemanden wirklich ärmer, können jedoch in Krisenzeiten ein durchaus positives Zeichen sein. Die aktuelle Wirtschaftskrise hat ihre Wurzeln im fehlenden Vertrauen, der dadurch fehlenden Liquität, die zu einem Fehlen von Investitionen führt, zu weniger Konsum, höherer Arbeitslosigkeit und so weiter. Ein Teufelskreis. Macht da Real Madrid nicht das einzig Richtige? Kann man über fehlende Ethik sprechen, wenn Florentino Perez, die Nr. 2 der Forbes-Liste der reichsten Baulöwen weltweit, 140.000 Mitarbeitern in Krisenzeiten Arbeit gibt, wenn Real Madrid aufgrund der geplanten Umsatzsteigerung voraussichtlich mehr Steuern zahlen wird und auch die Vereinsverwaltung weiter aufgestockt wird?
Die durch den TV-Vertrag dreifach abgesicherte Zwischenfinanzierung eines Teiles der Transfersumme hat Caja Madrid dank der voraussichtlichen Einnahmen gleich dazu veranlasst, eine mächtige Werbekampagne einzuleiten, in der sie nun für Firmenkredite wirbt, nach dem Motto: “wir haben das Wort Ja nicht verlernt". Dagegen macht die sportliche Konkurrenz und alle, die sich durch den Transfer zum Handeln gezwungen sehen, die gleichen Fehler der Vergangenheit. Während viele davon reden, dass man solche Transfers nicht alleine durch Trikotverkäufe bestreiten kann, sollte man eher den Signalen lauschen, die das Team um Florentino Perez aussendet, und diese sind wahrhaft galaktisch: Die teuersten Firmenlogen des Stadions Santiago Bernabeu gehen gemäß des über Real Madrid gewöhnlich gut informierten Sportreporters Jose Manuel Estrada soeben für bis zu 15 Millionen Euro Saisonmiete pro Loge über den Schreibtisch. Alles andere davor war das Jahr 1 vor Cristiano Ronaldo.
Quelle: GoMoPa (www.gomopa.net / Korrespondent Eric Laubach, Malaga)