Unfassbar: Löw macht gegen Algerien genau die gleichen Fehler wie beim EM-Aus gegen Italien
Archivmeldung vom 02.07.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Rekordweltmeister Brasilien ist bei der WM 2014 das Maß aller Dinge. Titelverteidiger Spanien, einzige Mannschaft, die auf jeder Position Weltklassebesetzung hatte, ist bereits sensationell ausgeschieden. Nun wird der Titel über den Rekordweltmeister Brasilien vergeben. Scolari hat 2012 eine desolate Seleção übernommen und diese 2013 überraschend zum Confederations-Cup-Sieg geführt. Die Erwartungen der heißblütigen Brasilianer schnellten hoch. Die WM zeigt aber, dass Scolari die Mannschaft seitdem nicht weiterentwickeln konnte; das Team um Superstar Neymar stagniert und offenbart erhebliche Schwächen. Der Spielsystemwechsel von Scolari gegen Chile wäre beinahe zum Supergau geworden.
Brasilien kann mit Thiago Silva, Neymar und Alves eigentlich nur drei Weltklassespieler aufbieten. Oscar, Fred, Luiz und Marcelo haben internationale Klasse, die letzten beiden aber mit regelmäßigen Fehlern in der Abwehr. Der Rest sind Ergänzungsspieler ohne jede Großartigkeit. Auf Neymar lastet die ganze Verantwortung. Scolari setzte bei der Spielerauswahl auf überragende körperliche Fähigkeiten, Athletik, Dynamik und Schnelligkeit und nicht auf Ballsicherheit und Abgezocktheit.
Die hohe Fehlerquote von Luiz, Marcelo oder Gustavo wird in Kauf genommen. Scolari weiß, dass er spielerisch mit Spanien, Deutschland und Holland nicht mithalten kann; seine einzige Chance ist, diese Mannschaften zu überlaufen. Dabei hofft er, dass die Euphorie im eigenen Lande die Fehlerquote senkt. Diese Hypothese ist aber hochriskant, da die nervösen Spieler Zuhause dem noch viel höheren Druck ausgesetzt sind.
Stärken, aber viel mehr Schwächen in der Seleção.
Die Schwächen der brasilianischen Equipe: Ein lebloses und ideenloses Mittelfeld ohne Führungsspieler, höchstens WM-Durchschnitt. Im Angriff mit Fred, Oscar oder Hulk nur internationales Mittelmaß mit eingeschränkt zur Verfügung stehenden Mitteln. Mit Luiz, Marcello und Gustavo gleich drei Spieler, die immer wieder zu kapitalen Fehlern neigen und damit ständige Unsicherheitsfaktoren darstellen. Das Team beherrscht das Halten des Balles in den eigenen Reihen nicht; so, wie es Deutschland über die Bayernspieler erlernt hat und mittlerweile auf hohem Niveau spielen kann, wenn von Löw richtig aufgestellt wird. Auch kann Brasilien in der Abwehr nicht dicht machen und den Gegner einfach kommen lassen, um aus einem starken Abwehrverbund zu kontern. Einziges Mittel, das sie haben, ist nach vorne zu spielen, Tempo zu machen und den Schlagabtausch zu suchen. Die absolute Stärke des Teams ist Neymar. Er ist ein Weltklassestürmer, technisch perfekt, schnell, pass-und schusssicher und auch noch kopfballstark, mit ungewöhnlichem Sprungvermögen. Er ist wesentlich wirkungsvoller als Ronaldo von Portugal, auch weil seine Mitspieler um einiges besser sind und ihm deshalb auch bessere Bälle zuarbeiten. Neymar kommt hauptsächlich über die Mitte und links. Dort werden auch die Tore erzielt. Vorbereiter der meisten Angriffe ist Marcelo. Nach hinten mit bitteren Fehlern (Kroatien Eigentor, Chiles Ausgleich über Marcelos Einwurf) ist er mit unbändiger Laufleistung und Kampfwillen der große Antreiber, dabei sogar deutlich wirkungsvoller als seine Mittelfeldkollegen. Auf der rechten Mannschaftsseite macht der ebenfalls läuferisch starke und dynamische Alves genauso wie links Marcelo den meisten Power. Allerdings nicht so wirkungsvoll, da vor ihm keine starken brasilianische Spitzen stehen und Neymar nicht von rechts so gut erreichbar ist.
Scolari verlässt zum ersten Male gegen Chile seine taktische Linie. Chiles Stärke ist es, sich mit zehn Mann in die Defensive zu stellen, abzuwarten und wirkungsvoll zu kontern. Scolari gab deshalb und zum ersten Mal überhaupt, im Achtelfinalspiel seine Offensiv-Taktik auf und ließ ganz bewusst die Chilenen kommen. Dies klappte wie ausgedacht, die Brasilianer konterten, hatten so viel mehr Platz und kamen ständig zu guten Torchancen. Folgerichtig fiel auch schon bald das verdiente 1:0. Brasilien blieb weiterhin defensiv, stellte nach wie vor die Chilenen tief stehend erst in der eigenen Hälfte, und hatte damit Chile ausgezeichnet im Griff. Aber aus dem Nichts heraus wurde gepatzt und den Chilenen der Ausgleich geschenkt. Scolaris Spielerauswahl hat die Sicherheit für eine solche Spielweise nicht. Nach dem Ausgleich völlige, alle Mannschaftsteile treffende, brasilianische Verunsicherung. Einmal so gestartet, gelang dem Team auch das Umschalten auf ein wirkungsvolles Angriffsspiel nicht mehr. Und so quälte man sich mit viel Glück über ein Elfmeterschießen in die nächste Runde.
Problem: Deutschlands Schwächen sind genau dort, wo Brasilien seine Stärken hat.
Im Halbfinale kann es bei einem jeweiligen weiteren Sieg zu einem Aufeinandertreffen von Brasilien und Deutschland kommen. Die Spielersubstanz Deutschlands ist weit besser als die Brasiliens. Nur hat Deutschland gerade auf der rechten Seite seine Schwächen. Mustafi und Boateng in der Defensive sind gegen Neymar auf verlorenem Posten, greifen nicht aggressiv an, sondern weichen zurück und lassen die Gegenspieler passen und schießen. Das geht bei Neymar, der auch noch zwei Tore bei der WM aus der zweiten Reihe geschossen hat, unweigerlich daneben. Auch kopfballmäßig sind die beiden im eigenen Strafraum viel zu schwach. Und vorne würde Özil gegen das Laufwunder Marcelo stehen. Özil, der jedem Zweikampf aus dem Weg geht und keinerlei Defensivaggressivität entwickelt oder hat. Das rechte deutsche Duo Boateng/Özil oder Mustafi/Özil verlieren hier gegen Neymar/Marcelo das Spiel. Auch darf man Alves nicht auf rechts das Spiel machen lassen. Der auf Spitzenniveau zu langsame Podolski müsste dies unweigerlich aber zulassen. Gegen Brasilien wäre rechts das Duo Lahm/Müller eine richtige Antwort. Links wäre es Schürrle, der Alves am besten einengen kann.
Löw kann man nur noch als "dumm" bezeichnen.
DFI versucht immer sachlich zu begründen und Beleidigungen zu unterlassen. In diesem Fall und trotz prinzipiellem Widerwillen bleibt einfach keine andere Bezeichnungsalternative. Die deutsche Sprache hat für jemanden, der immer wieder, unaufhörlich, den oder die gleichen Fehler macht, als treffendste Bezeichnung das Wort "dumm". Es wird auch bei der Gerichtsbarkeit verwendet. Und Löw hat eins zu eins im Algerienspiel die Fehler wiederholt, die zum blamablen Ausscheiden gegen ein schwaches Italien bei der letzten EM geführt hat. Nach zweijähriger Bedenkzeit. Der Vergleich: Nach vier recht guten Spielen in der EM wurde die Taktik gegen Italien plötzlich von Löw gewechselt, genauso wie jetzt gegen Algerien, hier nach einem souveränen Gruppensieg. Gegen Italien wurde ohne Rechtsaußen gespielt, dafür nahm Löw zusätzlich Özil in das Mittelfeld, stellte ihn neben Kroos, die sich nun auf engem Raum völlig ineffizient im Wege standen. Auf der freien, verwaisten Rechtsaußenposition tauchte zwangsweise immer Boateng, der nominelle rechte Verteidiger auf, was erwartungsgemäß wirkungslos blieb, d.h. die Rechtsaußenposition wurde einfach verschenkt und im Mittelfeld ging durch den zusätzlichen Özil, der noch nie mit dem Bayernblock harmoniert hat, gar nichts, ja, es entstand völlige Verwirrung und Unordnung und Italien kam alleine zu Torchancen, Balotelli nutzte davon zwei. Özil hatte keine Bindung und verlor in der bereits alles entscheidenden ersten Halbzeit die Bälle am Fließband. Nun Algerien: Özil spielte nicht, wie in den Spielen zuvor auf Rechtsaußen, sondern im zentralen Mittelfeld. Auf der verwaisten Rechtaußenposition tauchte der absolute Nobody und WM-Lehrling Mustafi, der Rechtsverteidiger, auf. Ihm gelang dort nicht ein einziger vernünftiger Ball, im Gegenteil, völlig freistehend leitete er durch einen Fehlpass die erste Großchance der Algerier ein. Also Außenposition wieder verschenkt und den freien Raum wiederum für einen völlig ungelernten und unqualifizierten Spieler. Özil verlor im Mittelfeld mehr Bälle als Schweinsteiger, Lahm und Kroos zusammen, war wieder ohne jede Bindung. Die Verunsicherung nahm von Minute zu Minute zu, Algerien, die noch eine Nummer schwächer sind als Italien bei der WM, kam reihenweise zu Torchancen. Hätten sie, wie Balotelli, zwei genutzt, dann wären wir schon wieder auf der Heimreise. Mustafi war schon gegen Ghana extrem schwach und schaute teilnahmslos zu, wie sein Gegenspieler das 1:1 köpfte. Ohne internationale Erfahrung kann man nicht bei einer WM bestehen. Mustafi kann einem Leid tun, er ist hier völlig überfordert. Löw ist nun auch hier Wiederholungstäter. Den Versuch Özil im Mittelfeld neben den Bayernspieler und Khedira zu quetschen ist schon zu mehr als ein dutzend Mal danebengegangen. Nur in Spielen gegen Aserbeidschan und Färöer Inseln sind auch solche Aufstellungen erfolgreich.
Löws Glück war Mustafis Verletzung.
Durch die Verletzung Mustafis wurde endlich die Rechtsverteidigung mit Lahm richtig besetzt. Löw war zum richtigen Handeln gezwungen worden, er selbst hat da nichts erkannt und hätte weitergemacht. Mit Schürrle kam ein echter Rechtsaußen und das deutsche Spiel bekam Ordnung und Überlegenheit, als Störer Özil aus dem Mittelfeld auf Linksaußen wechselte. Die Grundordnung der ersten Spiele war wieder hergestellt und sofort lief das Spiel als Einbahnstraße auf das Algerientor und wir hatten im Minutentakt eine Torchance nach der anderen. Mit richtiger Aufstellung wäre Algerien klar beherrscht worden.
Deutschland hat das Potential zum Weltmeister, Hochachtung vor der kämpferischen Leistung.
Wir haben nach wie vor das Potential zum Weltmeister, es ist keine überragende Mannschaft vorhanden, wir können jede schlagen. Unser größter Gegner ist der eigene Bundestrainer, der im Schatten von Guardiola oder Klopp immer wieder sich mit etwas Besonderem beweisen will.
Auch nicht zu übersehen: Boateng war wie so oft auf der zentralen Defensivposition wieder einmal völlig von der Rolle. Nicht nur, dass er sich selbst eine unfreiwillige Kopfnuss holte, sondern sein Zweikampfverhalten, sein Stellungsspiel und sein ständiges ängstliches Abdrehen bei den Schüssen des Gegners waren unterirdisch. Ohne "Weltklasse-Libero" Neuer hätte es über Boateng wohl mehrmals geklingelt.
Was war gut: Neuers absolute Spitzenleistung, Schweinsteigers Kampf und Einsatz bis zur Erschöpfung, die kämpferische Leistung von Mertesacker, Lahm und Höwedes, auch wenn letzterer dieses Mal einige unglückliche Situationen hatte und Kampf und Laufstärke von Müller über 120 Minuten. Müller war der Matchwinner, da er, als die Ordnung wieder hergestellt war, mit feiner Einzelleistung immer wieder die Abwehr ausspielte oder überlief und den entscheidenden Pass auf Schürrle spielte. Der Bayernblock, Mertesacker und Khedira waren mit unbändigem Willen in der Lage alle Unzulänglichkeiten Löws auszubaden. Hochachtung vor der kämpferischen Leistung.
Quelle: DFI - Deutsches Fussball Institut (ots)