Werder Bremen: Eigene Nachwuchsrunde? Nein, Danke!
Archivmeldung vom 27.11.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist ein heißes Thema: Sollen zweite Mannschaften der Bundesligisten in der 3. Liga und in der Regionalliga spielen? Soll es eine Begrenzung ihrer Anzahl geben? Oder wie wäre es mit einer eigenen Nachwuchsliga? Für Werder Bremen ist das eine unnötig geführte Diskussion.
Der Nachwuchsfußball in Deutschland ist so erfolgreich wie noch nie. Die Juniorenteams des DFB holten sich in den Altersklassen U 17, U 19 und U 21 den Europameistertitel. Die Werder-Profis Mesut Özil, Marko Marin und Aaron Hunt oder Thomas Müller und Holger Badstuber von Bayern München sind nur einige junge Talente, die derzeit für Furore sorgen. "Das ist das Ergebnis der guten Nachwuchsarbeit in den vergangenen Jahren. Es freut uns, dass wir so viele Talente in den Junioren-Nationalmannschaften haben", sieht auch Werders Nachwuchsmanager Uwe Harttgen eine sehr positive Entwicklung in der Jugendförderung. Erst kürzlich wurde die Arbeit in den Leistungszentren der Bundesligisten von DFL und DFB im offiziellen 'Bundesliga-Magazin' ausdrücklich gelobt.
Klaus-Dieter Fischer: "Die 3. Liga ist für die Nachwuchsarbeit enorm wichtig!"
Die Einführung der Regionalligen und Bundesligen im Nachwuchsbereich hat sich längst bezahlt gemacht. "Die Gegner sind stark, die Ligen spannend, und die Spiele finden auf hohem Niveau statt. Hier sammeln die Jungs wichtige Erfahrungen. Das bringt sie in ihrer Entwicklung voran", bestätigt auch Werders U-19-Coach Mirko Votava.
Doch wie geht es nach der Jugend weiter? Der Sprung vom Nachwuchs- in den Herrenfußball ist riesig und gehört wohl zu den höchsten Hindernissen in der Karriere eines jungen Fußballers. Nur die wenigsten schaffen direkt den Weg in die Bundesliga. "Die 3. Liga ist eine sehr gute Lösung, um in den U-23-Teams die Talente sorgsam an die Anforderungen im Herrenbereich heranzuführen. Die Spiele gegen starke Teams, in denen gestandene Profis stehen, und vor allem vor Kulissen wie in Braunschweig, Offenbach oder Osnabrück sind enorm wichtig für die Entwicklung der Talente. So werden sie optimal auf die Bundesliga vorbereitet", weiß Werders U-23-Coach Thomas Wolter.
Ein Blick auf den aktuellen Kader der Nationalmannschaft unterstreicht die Bedeutung der zweiten Mannschaften. Nur wenige Spieler schafften den direkten Sprung in den Profi-Fußball: Manuel Neuer, Per Mertesacker, Heiko Westermann, Mesut Özil, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski sorgten direkt nach der U 19 für Aufmerksamkeit in der Eliteliga. Arne Friedrich nahm den Weg über den SC Verl zu Arminia Bielefeld. Alle weiteren Spieler sammelten zunächst in einer U-23-Mannschaft wichtige Erfahrungen. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei der U-21-Nationalmannschaft, in den U-15- bis U-20-Auswahlen stehen fast ausschließlich Spieler aus Leistungszentren der Erst- oder Zweitligisten.
"Wir bilden nicht nur für unser eigenes Bundesliga-Team aus", weiß Thomas Wolter. Ex-Werder-Nachwuchsspieler sind in ganz Deutschland aktiv. Aaron Hunt, Tim Borowski, Philipp Bargfrede bei Werder, Simon Rolfes in Leverkusen, Nelson Valdez in Dortmund, Dennis Diekmeier in Nürnberg - sie alle spielten bereits für Werders U 23. In der zweiten Liga sind die ehemaligen Werderaner Florian Mohr, Frank Löning, Daniel Brückner und Markus Krösche für den SC Paderborn am Ball, Alexander Walke in Rostock und Max Kruse beim FC St. Pauli. Thiago Rockenbach da Silva wurde bei Rot-Weiß Erfurt in der 3. Liga zum Publikumsliebling. "Und das sind nur die Jungs von uns. Auch Mario Gomez, Sami Khedira, Serdar Tasci, Aleksandr Hleb und Kevin Kuranyi spielten zum Beispiel einst für eine zweite Mannschaft", erinnert Wolter.
Der hohe Stellenwert der U-23-Mannschaften, die mit Abstand die jüngsten Kader in den Ligen stellen und den jungen Spielern die meiste Spielpraxis ermöglichen, ist somit unbestritten. Gerade aus diesem Grund fordert Werder-Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer eine klare Positionierung der DFL und des DFB im Bezug auf die zweiten Mannschaften: "Es ist das Anliegen des DFB und der Vereine, den Talenten die bestmögliche Förderung zu ermöglichen. Doch diese darf nicht nach der U 19 enden. Die zweiten Mannschaften sind ein sehr wichtiger Baustein, sie gestalten den Übergang vom Jugend- in den Herrenbereich. Diskussionen über eine eigene Nachwuchsliga, die Reduzierung der zweiten Mannschaften in der 3. Liga oder eine weitere Verjüngung der Teams dürfen daher gar nicht aufkommen."
Uwe Harttgen: "Spiele mit einer zweiten Mannschaft sind sportlich attraktiv."
Dieser Standpunkt wird nicht nur bei Werder Bremen vertreten: "Wir haben in den vergangenen Jahren viel investiert, um mit der zweiten Mannschaft in die höchstmögliche Liga zu kommen. Derzeit ernten wir mit Spielern wie Holger Badstuber oder Thomas Müller die Früchte dieser Arbeit. Jetzt sollen wir wieder einen Schritt zurückgehen? Da machen wir nicht mit", fand auch Werner Kern, Nachwuchskoordinator beim FC Bayern München, zuletzt im Internet bei spox.com deutliche Worte. Selbst Ruud Kaiser, ehemaliger Coach von Dynamo Dresden, der schon die U 19 des FC Chelsea als Trainer betreute, spricht beim Thema Nachwuchsliga von einem "schlechten Witz". Kaiser kennt die Nachwuchsrunde aus England: "Das ist nichts, was die jungen Talente weiterbringt."
"Wenn man die zweiten Mannschaften in der 3. Liga weiter einschränkt oder sogar ganz verbannt, wäre das ein sehr großer Rückschritt in der Nachwuchsförderung", stellt Werders Nachwuchsmanager Uwe Harttgen klar. "Die Leistungszentren sind nicht ohne Grund ein fester Bestandteil des Lizenzierungsverfahrens der Bundesligavereine durch DFL und DFB. Diese Anforderungen sollten ursprünglich auch für die Vereine der 3. Liga verbindlich gelten. Zuletzt kamen aber erste Überlegungen auf, die Regelungen aufgrund des hohen Kostenfaktors zu lockern. Ich bezweifle stark, dass die Vereine die dadurch gesparten Kosten dann in die Nachwuchsförderung stecken."
Ein schlüssiges Argument gegen die zweiten Mannschaften in der 3. Liga gibt es ohnehin nicht. "Die Spiele mit Beteiligung einer zweiten Mannschaft sind sportlich nicht unattraktiver, und auch das Argument, dass wir keine Zuschauer mitbringen, greift nur bedingt", erklärt Uwe Harttgen, der ein einfaches Rezept für die Struktur der Liga hat. "Wer sich sportlich qualifiziert, hat es verdient, in der Liga zu spielen. Wir mussten dafür große Kompromisse eingehen." Die zweiten Mannschaften verzichten unter anderem auf das TV-Geld (rund eine Million Euro) und das Startrecht im DFB-Pokal.
Thomas Wolter: "Wir bilden nicht nur für unser eigenes Bundesliga-Team aus."
Selbst der Vorwurf, die Nachwuchsteams würden mit dem Einsatz von Profis versuchen, ihre sportliche Situation zu verbessern und somit für eine Wettbewerbsverzerrung sorgen, ist für Harttgen nicht haltbar. "In dieser Saison ist noch kein Profi bei der U 23 zum Einsatz gekommen. Ganz im Gegenteil: Wir haben Spieler an die Profis abgegeben und stellen immer wieder Jungs für die DFB-Teams ab. Damit schwächen wir uns eher. Aber das ist für uns selbstverständlich, da es im Sinne der Nachwuchsförderung ist."
Die Einstellung von Werder Bremen und vieler anderer Bundesligisten zum Thema 3. Liga ist klar: "Für die Nachwuchsarbeit in Deutschland ist die 3. Liga enorm wichtig. Nur wenn der Abstand zwischen erster und zweiter Mannschaft so gering wie möglich bleibt, ist gewährleistet, dass wir die Talente optimal auf höhere Aufgaben vorbereiten. Wie schwierig die Entwicklung junger Spieler sein kann, wissen auch der DFB und die DFL ganz genau. Nicht ohne Grund stellen sie die Leistungszentren vor hohe sportliche und wirtschaftliche Anforderungen. Und auch wenn es sicherlich verschiedene Auffassungen in der Talentförderung gibt, darf man die Arbeit der Vereine, die seit Jahrzehnten mit ihrer Philosophie Erfolg haben, nicht beschneiden. Über die Zukunft der Nachwuchsteams in der 3. Liga darf es keine politische Entscheidung geben", fordert Werders Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer.
Quelle: Werder Bremen GmbH & Co KG aA