Fifa-Präsident Blatter lobt die Deutschen für "die beste WM aller Zeiten"
Archivmeldung vom 29.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFifa-Präsident Joseph Blatter hat die WM in Deutschland als einmalig herausgestrichen. "Dies ist die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten. Noch nie ist ein Event so emotional und global dargestellt worden. Und sportlich bekommen wir höchstes Niveau geboten", sagte Blatter in einem Gespräch mit dem "Tagesspiegel".
Blatter lobte auch die Auftritte
der deutschen Nationalmannschaft: "Die deutsche Mannschaft wird
getragen von der Begeisterung im Land. Langsam frage ich mich: Wer
will diese Deutschen überhaupt aufhalten?" Bundestrainer Jürgen
Klinsmann habe alle zweifelnden Koryphäen im Fußball widerlegt.
"Heute müssen alle Kritiker sagen: Chapeau, Herr Klinsmann. Ich sage
das auch."
Im Streit um die Leistungen der Schiedsrichter griff Blatter die
Assistenten an. "Schlimm finde ich, dass die drei Assistenten und der
fünfte Offizielle bei Fehlentscheidungen nicht reagieren. Die holen
bei jeder Aktion ihre Zettel raus und schreiben mit wie Bengels in
der Schule. Dann zeigt der englische Referee Graham Poll einem
Spieler drei Gelbe Karten, und keiner von den Schülern bekommt etwas
mit", kritisierte Blatter. Beim Skandalspiel zwischen Portugal und
den Niederlanden habe der russische Schiedsrichter Walentin Iwanow
"leider den Durchblick verloren". Blatter drängte auf eine
einheitliche Umsetzung der Weisung, gefoulte Spieler besser zu
schützen. "Einige Schiedsrichter setzen die neue Regelung zu streng
um, andere sind zu nachsichtig. Wir werden auch noch einmal auf die
Mannschaften einwirken, dass sie zu einem fairen Spiel beitragen",
sagte Blatter dem "Tagesspiegel".
Blatter begrüßte die spärlichen Kontrollen der personengebundenen
Eintrittskarten an den Stadien: "Hier wurde das schönste System
aufgebaut, aber die Realität hat es über den Haufen geworfen. Nur
deshalb sind alle Stadien gefüllt." In Leipzig hätten Argentinier und
Mexikaner gemischt in einer Kurve gesessen, obwohl sie getrennt sein
sollten. Daran sehe man, dass mit Karten gehandelt werde. "Das ist
normal. Ich würde das nicht Schwarzmarkt nennen, das ist der offene
Markt", sagte Blatter. Bei der WM 2010 wolle sich die Fifa wieder
selbst um den Ticketverkauf kümmern. Er werde vorrangig über
Tourvermarkter abgewickelt, die gleichzeitig Reisen und Unterkünfte
anböten.
Blatter kündigte eine Generaldebatte über die Kommerzialisierung
des Fußballs an. "Wir müssen über Grenzen des Geldverdienens
nachdenken. Wir müssen bei der Vermarktung das Optimale anstreben,
nicht das Maximale." Nach Ansicht des Fifa-Präsidenten stößt der
Klubfußball an die finanziellen Grenzen. "Dort fließen
Millionensummen, von denen niemand weiß, von wem sie stammen. Die
Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Diese
Zweiklassengesellschaft ist eine Verzerrung des Fußballs", sagte
Blatter.
Die Fifa habe eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die
Finanzströme zu kontrollieren versuche. "Nach der WM wird das ein
großes Thema werden." Vor dem Turnier hatte Franz Beckenbauer eine
Grenze des Kommerzes und eine "generelle Reinigung" des Fußballs
gefordert. Unterstützung hatte er von Uefa-Chef Lennart Johansson und
DFB-Präsident Theo Zwanziger erhalten.
Fifa-Präsident Blatter räumte ein, im Umgang mit den Deutschen
Fehler gemacht zu haben. "Bei der Organisation einer WM sollten wir
mehr Rücksicht auf die Gepflogenheiten des Landes nehmen. Wenn wir
mit einem Bierbrauer kooperieren, der in Europa nicht erwünscht ist,
sollte man das nicht ohne Diskussion durchdrücken", sagte Blatter dem
"Tagesspiegel". Als "nicht angenehm" bezeichnete Blatter die Pfiffe
in den Stadien gegen ihn. "Aber meine Schmerzgrenze liegt erheblich
höher."
Der 70 Jahre alte Blatter will 2007 erneut als Fifa-Präsident
antreten. "Ich werde einen Nachfolger aufbauen, aber jetzt noch
nicht", sagte Blatter. "Franz Beckenbauer will nicht, er kann das
auch nicht."
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel