Uefa: Szene von Löw und dem Balljungen vor dem Spiel aufgenommen
Archivmeldung vom 15.06.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer europäische Fußballverband Uefa hat bestätigt, dass die Bilder, die Bundestrainer Joachim Löw mit einem Balljungen zeigen, nicht während des EM-Vorrundenspiels Deutschland gegen Niederlande entstanden sind. "Die Szene fand circa 15 bis 20 Minuten vor Anpfiff statt", die TV-Produktion habe sie aber erst während des Spiels gezeigt, teilte die Uefa auf Anfrage von stern.de mit. Der Fußballverband bestätigte damit die Version des Bundestrainers. Der Deutsche Fußball-Bund wollte sich dazu nicht äußern.
Die Uefa verwirrte mit der Einspielung der aufgezeichneten Bilder in die Live-Übertragung nicht nur das Publikum, sondern auch das ZDF. Millionen Zuschauer hatten am Mittwochabend gesehen, wie Löw vermeintlich in der 22. Spielminute vor der Trainerbank einem Balljungen den Ball wegnimmt. Im Interview nach dem Spiel darauf angesprochen, sagte Löw zwar, das sei vor Anpfiff passiert, doch ZDF-Moderator Michael Steinbrecher korrigierte ihn: "Nee, nee, da stand's 0:0."
ARD-Teamchef Jörg Schönenborn zu Kritik an UEFA-Weltbild
Zu der Diskussion um das Fernsehbild, das den übertragenden Sendern von der UEFA zur Verfügung gestellt wird, äußert sich Jörg Schönenborn, ARD-Teamchef Fernsehen für die UEFA EURO 2012 sowie WDR Chefredakteur Fernsehen: "Die Kritik an der UEFA insgesamt ist überzogen, wir arbeiten mit ihr sehr gut zusammen. Natürlich wäre für uns jede Form von Zensur oder Manipulation nicht tragbar. Gerade deshalb haben wir gegenüber der UEFA sehr deutlich gemacht, dass das deutsche Publikum erwartet, dass live drin ist, wenn live drauf steht. Live ist live und muss live bleiben."
"Man sollte mit den Begriffen Manipulation und Zensur sehr vorsichtig umgehen"
ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz im Interview zu den Vorwürfen der Manipulation der Fernsehbilder aus der Ukraine, zur Frage, ob die Szene "Joachim Löw stupft Balljungen den Ball weg" reingeschnitten wurde und zum Erfolg des ZDF-Fußballstrands auf Usedom:
Es war eine Szene mit symbolischer Aussagekraft: "Lächelnd, ja fast spitzbübisch stupft Bundestrainer Joachim Löw im Spiel gegen Dänemark einem Balljungen den Ball aus der Hand". Das, was den ZDF-Fernsehzuschauern ganz sicher gefallen hat, hat bei Journalisten aus Deutschland Stirnrunzeln verursacht. War das wirklich während des Spiels? Oder wurde diese Szene ins Livefernsehbild "reingeschnitten"? Manipuliert die UEFA die Bewegtbilder aus der Ukraine? ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz hat uns in der Zentrale des Zweiten auf Usedom dazu ein Interview gegeben.
1. Herr Gruschwitz, Journalisten fragen beim ZDF nach, ob die Szene mit Joachim Löw und dem Balljungen in das Livebild reingeschnitten wurde. Was können Sie dazu sagen? Also es ist wohl mittlerweile ein Fakt, dass diese Szene von Joachim Löw mit dem Balljungen vor Spielbeginn stattgefunden hat und aufgezeichnet worden ist von einem House-Broadcaster. Und dann in das laufende Spiel eingespielt wurde. Davon waren wir alle überrascht, sowohl der Reporter als auch unser Moderator Michael Steinbrecher, der ja Jogi Löw im Interview danach angesprochen hat. Wir wussten das nicht, sind auch nicht informiert worden, es betraf nicht nur uns sondern alle Fernsehanstalten, die dabei waren. Das ist vollkommen unüblich, wir sind da in einer intensiven Diskussion mit der UEFA.
2. Gleichzeitig wird der Vorwurf erhoben, die Bilder aus der Ukraine seien manipuliert und zensiert? Also man sollte mit dem Begriff Manipulation und Zensur sehr vorsichtig umgehen. Was hier bei dieser Europameisterschafft geschieht, genauso wie bei Weltmeisterschaften, genauso wie bei Olympischen Spielen, dass im Auftrage des Veranstalters, in dem Falle der UEFA, eine Produktionsfirma beauftragt wird, die Spiele zu produzieren und ein sogenanntes Weltbild anzubieten. Wir als ZDF oder ARD, gemeinsam mit der ARD, haben da nicht die Möglichkeit einzugreifen. Wir haben nur die Möglichkeit, bei dem ein oder anderen Spiel, bei dem wir mit eigenen Kameras, mit unilateralen Kameras noch vertreten sind, journalistisch relevante Situationen selbst einzufangen und auszustrahlen. Es ist nicht so, dass wir das nicht dürfen. Wenn es uns möglich ist, technisch möglich ist, wenn wir also über entsprechende Kameras, entsprechende Positionen und entsprechende Perspektiven in den Stadien verfügen, dann können wir auch das Randgeschehen einschneiden, auch entsprechend bebildern, wenn wir es für journalistisch notwendig erachten. Das machen wir auch. Insofern ist der Begriff Zensur nicht ganz korrekt. Auf alles andere, was sonst im Weltbild angeboten wird, haben wir keinen Einfluss.
3. Was kann das ZDF mit den eigenen Kameras zeigen? Wir können nicht das Korrektiv des Weltbildes sein, dazu sind wir produktionell nicht in der Lage, letztendlich auch finanziell nicht. Wir können nicht noch so viele Kameras vorhalten in den Stadien, um möglicherweise Korrekturen am Weltbild vorzunehmen.
4. Seit Tagen ist in deutschen Zeitungen eine sehr negative Berichterstattung über den ZDF-Fußballstrand auf Usedom zu verfolgen. Was sagen Sie als Verantwortlicher zu der Kritik? Das ZDF steht nach wie vor zu der Entscheidung, seine Präsentationsfläche bei dieser Europameisterschaft auf der Insel Usedom aufgebaut zu haben. Man muss das Ganze sehen als eine kompakte Markenbildung des ZDF. Es ist ja nicht nur eine Sportsendung, die hier produziert wird, sondern andere Sendeformate finden auch ihren Platz. Der Sport im morgenmagazin, Volle Kanne, der ZDF-Fernsehgarten, es wird eine Kochsendung hier geben. Also es ist eine Gesamtpräsentation, natürlich angebunden in erster Linie an die Fußballübertragungen. Wir haben mit der Insel Usedom ganz bewusst einen Ort gesucht, an dem Nähe zu einem der beiden Gastgeberländer, nämlich zu Polen hergestellt werden kann. Nur wenige Kilometer von hier entfernt verläuft die deutsch-polnische Grenze. Es gibt sowohl eine optische Anbindung zu Polen, wir freuen uns auf jeden Gast aus Polen, der sich hier bei uns einfindet in unserer ZDF-Arena, was dann verstärkt bei den nächsten Spielen auch der Fall sein wird. Also wir stehen dazu und wir glauben auch, dass wir mit diesem ganz speziellen Ambiente auf der Insel Usedom dem Zuschauer einen Mehrwert anbieten können. Es hat etwas von Fußballfest, es ist sonnig, es ist Wasser da, es ist der Strand da, es ist ein Wohlgefühl da. Und wir wollen gemeinsam mit den Fans dieses Fest dann auch feiern. Gleichzeitig, und auch das ist uns ein Anliegen, wollen wir den Zuschauern hier einen Blick hinter die Kulissen bieten. Wir wollen ihnen zeigen, wie Fernsehen funktioniert, wie Fernsehen produziert wird, wie auf einer Bühne Moderationen vorgenommen werden. Wie auch in den Pausen dazwischen, wenn also ein Spiel läuft, ein Beitrag abgefahren wird. Was passiert sonst auf der Bühne, welche Vorabsprachen werden getroffen zwischen einer Moderatorin und einem Fußball-Experten? Also Fernsehen hautnah erleben. Auch dies ist ein Ansatz, dem wir nachgehen wollen. Und noch ein letzter Punkt: Weil wir oft gefragt werden, warum seid ihr nicht in Polen oder in der Ukraine ganz direkt mit eurer Bühne? Das könnten wir dort nicht machen. Das Ganze wirkt nur da, wo die Zuschauer auch Oliver Kahn und Katrin Müller-Hohenstein sprachlich verstehen. Also man muss Deutsch verstehen, um unseren Sendungen folgen zu können. Und das ist nur in einem deutschsprachigen Raum auch gegeben. Und ein letzter Punkt: Wir haben sehr viele programmliche Elemente, die sind an anderen Standorten nicht möglich. Also das Auftreten von Janine Michaelsen und ihre Darbietungen, ihre Erklärungen, was ist im Netz alles passiert. 3D-Analysen, die Oliver Kahn hier auf der Bühne vornimmt mit einem technischen Aufwand. Dies alles wäre in den Stadien beispielsweise, so wie die ARD es produziert, nicht machbar. Auch dies ein Argument dafür, warum wir einen Ort gesucht haben, wo wir uns auch produktionell so aufstellen können, um all das anbieten zu können.
Quelle: Gruner+Jahr, stern.de / WDR Westdeutscher Rundfunk (ots)