Willingen: Trauer um Schanzenchef Wolfgang Schlüter
Archivmeldung vom 16.01.2019
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWolfgang Schlüter ist tot. Die traurige Nachricht verbreitete sich in Windeseile im Dorf und unter den Ski-Club-Mitgliedern. Der Schanzenchef am Mühlenkopf kehrt nicht mehr aus dem Skiurlaub mit seiner Familie in Schruns im Vorarlberg zurück. Als Eismeister der Willinger Kurbetriebe erst vor einigen Monaten in Ruhestand gegangen, wollte der 64-Jährige vor der heißen Phase im Weltcup-Countdown für „Willingen/5“ noch einmal einige Tage ausspannen. Nicht nur für seine Ehefrau, die beiden Töchter, die beiden Schwiegersöhne und vier Enkel geschah etwas völlig Unerwartetes und Unfassbares.
„Ein Profi im Ehrenamt – aber mehr noch ein guter Freund, vorbildlicher Free Willi, der sein ganzes Schanzenteam auch in den schwierigsten Situationen mit seiner stets humorvollen Art für die Schanze und den Weltcup begeistern konnte, ist von uns gegangen. Wir sind alle sehr traurig und in Gedanken bei seiner geliebten Familie“, fasste Präsident und OK-Chef Jürgen Hensel in der ersten Reaktion in bewegten Worten zusammen, was alle dachten und fühlten. Sein Stellvertreter Andi Rohn, ein Schulfreund aus Kindertagen, stürzte sich mit dem engsten Helferkreis in die Arbeit an der größten Großschanze der Welt, um die Trauer zu verdrängen und den Weltcup-Countdown in seinem Sinne fortzusetzen.
Seit 2006 war Wolfgang Schlüter Schanzenchef wie schon sein Vater Heinrich in den 60er Jahren. 54 Jahre war Wolfgang Schlüter Mitglied im Ski-Club Willingen e.V. „Als Knecht“ habe er schon als Kind an der Schanze mit gearbeitet und sein Wissen und seine Erfahrung später nicht nur an der Mühlenkopfschanze, sondern auch bei befreundeten Ski-Clubs wie in Klingenthal, Oberstdorf und Titisee-Neustadt mit eingebracht. Er verlor nie die Nerven, ob der Schnee ausblieb, mit den Schneekanonen und Lanzen produziert werden oder mit unzähligen Lkw-Fuhren aus Skihallen, der Arena AufSchalke oder Fischfabriken herangekarrt werden musste.
Wolfgang Schlüter wusste immer, was zu tun war und konnte sein Team motivieren. Für Fernsehen, Radio oder die Zeitungen gab er Interviews und erklärte jede Situation rund um den Anlauf und den Aufsprunghang. Die Eisspur, die er Weltcup für Weltcup hinzauberte, war sein ganzer Stolz, das Lob der Skispringer und FIS-Funktionäre hatte er sich mehr als verdient. Nicht wenige der Technischen Delegierten des Weltverbandes FIS bezeichneten ihn im internen Kreis als den besten Schanzenchef der Welt. Auch FIS-Direktor Dr. Walter Hofer oder DSV-Sprungexperte Rudi Tusch zollten immer wieder Lob, wenn in Willingen gesprungen werden konnte, während andernorts die Veranstalter passen mussten.
Als Fußballer verdiente sich Wolfgang Schlüter seine sportlichen Sporen. Rechter Verteidiger war seine Position. Als Fußball-Obmann zu Oberliga-Zeiten und später Obmann der Altherren-Abteilung ließ ihn das runde Leder nicht los. Die Begeisterung dafür gab er an einen talentierten Enkel weiter. Einer der beiden Schwiegersöhne, Tobias Cramer, ist Trainer des KSV Hessen Kassel und wie der andere, Michael Groß, lange als Chef Anlauf, auch als „Free Willi“ im Weltcup-Team. Dort hinterlässt Wolfgang Schlüter mehr als eine große Lücke. Doch nicht nur Andi Rohn will alles dafür tun, dass „Willingen/5“ vom 15. bis 17. Februar in Wolfgang Schlüters Sinn wieder ein Kult-Weltcup werden wird – auch wenn menschlich ein Schatten auf das Topereignis gefallen ist.
Quelle: SC Willingen - Dieter Schütz
FIS Skisprung Weltcup in Willingen vom 15. bis 17. Februar 2019 Mühlenkopfschanze