Trauer um Jürgen Grabowski
Archivmeldung vom 11.03.2022
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Eintracht-Familie und ganz Fußballdeutschland trauern um Jürgen Grabowski, der gestern Abend im Alter von 77 Jahren verstorben ist.
„Dass Jürgen Grabowski verstorben ist, ist für uns alle unbegreiflich“, zeigte sich Vereinspräsident Peter Fischer tief betroffen. Vorstandssprecher Axel Hellmann trauert ebenso um den Ehrenspielführer. „In seiner aktiven Zeit war Jürgen Grabowski vielleicht der vollkommenste Spieler, der für die Eintracht gespielt hat. Seine Aura wirkt bis in die Gegenwart. Grabi, der so gerne bei den Spielen unserer Eintracht dabei war, war generationsübergreifend identitätsstiftend für den Verein.“
Jürgen Grabowski, der am 7. Juli 1944 in Wiesbaden geboren wurde, wechselte 1965 vom FV Biebrich 02 an den Riederwald. Den Sprung in die Bundesliga schaffte er sofort, bereits in seiner Premierensaison absolvierte er 27 Ligaspiele, in denen er zehn Tore erzielte. Grabi debütierte in der Nationalmannschaft und gehörte zum WM-Kader, der 1966 in England Vizeweltmeister wurde. Bei seiner zweiten Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko erwarb er sich den Ruf als „Bester Einwechselspieler der Welt“. Seine dritte WM-Teilnahme wurde zum Triumph, an seinem 30. Geburtstag wurde Grabi in München zusammen mit seinem Mannschaftskameraden Bernd Hölzenbein Fußball-Weltmeister 1974. Nach dem Titelgewinn beendete er seine Nationalmannschaftskarriere. Grabi absolvierte 44 Länderspiele, in denen er fünf Tore erzielte.
„Deutschlands Stolz, der Grabi und der Holz“, sangen die Fans in den 1970er Jahren, und Grabi, der mit der Nationalmannschaft auch den EM-Titel 1972 gewann, feierte auch mit der Eintracht große Erfolge. Der DFB-Pokalsieg 1974 im Finale gegen den Hamburger SV war der erste Pokalsieg der Eintracht – und der erste Titel seit der Meisterschaft 1959. Bereits ein Jahr später stand die Eintracht wieder im Finale, diesmal gewann die Mannschaft den Pott gegen den MSV Duisburg. In dieser Zeit dichteten die Fans ein weiteres Lied, das heute zu jedem Spiel im Stadion gesungen wird: „Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehen, mit dem Jürgen, mit dem Jürgen, sie spielte so gut und sie spielte so schön, mit dem Jürgen Grabowski“. Die Einleitung des Lieds „Schwarz und weiß wie Schnee“ wurde zu einer Liebeserklärung an Grabi, der dem Eintracht-Spiel der 1970er Jahre den Stempel aufdrückte wie kein Zweiter.
Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 versuchte der damalige Bundestrainer Helmut Schön, Jürgen Grabowski zu einem Comeback zu überreden, doch Grabi entschied sich dagegen. Bei der Eintracht war er zu der Zeit die unumstrittene Führungsfigur. Im Frühjahr 1980 wurde er beim Ligaspiel gegen Borussia Mönchengladbach durch ein Foul so schwer verletzt, dass er seine Karriere nicht fortsetzen konnte. Als die Eintracht am Abend des 21. Mai 1980 mit dem Gewinn des UEFA-Pokals den lang ersehnten ersten internationalen Titel erringen konnte, stand Grabi nicht auf dem Platz. Doch die Mannschaftskameraden und die Fans wussten um die Bedeutung von Grabi für die SGE. Bei der Übergabe des Pokals riefen die Fans minutenlang „Grabowski, Grabowski“. Bernd Hölzenbein, der den Pokal für die Eintracht in Empfang nehmen durfte, reichte die Trophäe unter dem Applaus der 60.000 als erstes weiter an Jürgen Grabowski.
Im Oktober 1980 verabschiedete sich Grabi von der großen Fußballbühne, zum Abschiedsspiel kam die Nationalmannschaft – und mehr als 40.000 Fans. Insgesamt hatte er für die Eintracht 555 Pflichtspiele absolviert und 151 Tore geschossen. Nur einmal wollte er weg, doch 1969 verweigerte Präsident Rudi Gramlich die Freigabe für einen Wechsel zum FC Bayern München. Viel später gab Grabi zu: „Als Rudi Gramlich damals sagte, dass die Eintracht mich nicht zu den Bayern ziehen lassen würde, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.“ Dem Verein, von dem er zum Ehrenspielführer ernannt wurde, blieb Grabi Zeit seines Lebens verbunden. 1983 betreute er gemeinsam mit Klaus Mank für einige Wochen die Mannschaft, im Verein engagierte er sich bis 1992 im Verwaltungsrat. Grabi genoss das Golfspiel, schwärmte für Autos, kickte in Traditionsmannschaften und betrieb weiterhin eine Versicherungsagentur in Taunusstein. Hier hatte er sich mit seiner lieben Frau Helga ein schönes Haus gebaut.
Vom Verein und vor allem von den Fans wurde Jürgen Grabowski nie vergessen. Aus dem G-Block ertönte auch in den 1980er und 1990er Jahren immer wieder das Lied vom Grabi im Endspiel. In sportlich schwierigen Zeiten war die Erinnerung an den Fußballkünstler ein Halt für die Fans, die sich den technisch anspruchsvollen Fußball der 1970er Jahre zurückwünschten – und manchmal auch ein wenig die Diva. Denn auch Grabi gewann gegen Bayern München – sogar ziemlich häufig –, um eine Woche später in Offenbach zu unterliegen.
Als 1999 der 100. Geburtstag der Eintracht gefeiert wurde, vertonte die Frankfurter Trash-Metal-Band Tankard den Fansong „Schwarz und Weiß wie Schnee“. So kehrte die Erinnerung an Grabi Mitte der 2000er Jahre auch offiziell ins Stadion zurück, denn die Hymne wurde fortan im Rahmenprogramm unmittelbar vor Spielbeginn gesungen. In einem Interview hat Grabi einmal zugegeben, dass er da immer eine Gänsehaut bekam. „Natürlich macht mich das stolz, wenn das ganze Stadion das Lied singt“.
Als die Eintracht 2017 das DFB-Pokalfinale erreichte, war Jürgen Grabowski im Innenraum und sah aus nächster Nähe, wie Tankard mit 30.000 Fans die Eintracht-Hymne „Schwarz und weiß wie Schnee“ schmetterte. Im Nachgang nahm er mit der Band im Museum ein Video auf, dass sich um Grabi und den DFB-Pokal drehte. Und 2018 kehrte auch Jürgen Grabowski zurück nach Berlin – und feierte die Rückkehr „seines“ Pokals.
In den vergangenen Jahren war Jürgen Grabowski gesundheitlich angeschlagen. Regelmäßig musste er zur Dialyse. Die Reisen ins Stadion fielen ihm schwer, aber im Herbst 2021 war er wieder zu einigen Spielen vor Ort. Jetzt ist Jürgen Grabowski verstorben. Voller Dankbarkeit und Respekt verneigt sich Eintracht Frankfurt vor einem der größten, die dieses Spiel je gespielt haben. Aller Mitgefühl gilt seiner Frau Helga und der Familie.
Quelle: Eintracht Frankfurt Fußball AG