Silbereisen – Alteisen – Goldeisen
Archivmeldung vom 01.03.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNormalerweise hätten nach dem famosen Triumpf der deutschen Kombinierer wieder Andere im Fokus gestanden. Johannes Rydzek oder Eric Frenzel beispielsweise, die mit dem WM-Mannschaftstitel ihre jeweils vierte Goldmedaille einsammeln konnten. Oder der finnische Altmeister Hannu Manninen, der im zarten Alter von 38 Jahren ein sensationelles Comeback feierte. Aber im Mittelpunkt des Interesses stand ein anderer rüstiger Kombinations-Oldie: Björn Kircheisen. Denn „Kirche“ stand ganz oben – zum ersten Mal in seiner langen Laufbahn bei den Erwachsenen in eine wirklich wichtigen internationalen Rennen.
Die Laufbahn des Sachsen hatte famos begonnen – sechs Titel holte der Mann aus Johanngeorgenstadt bei Junioren-Welttitelkämpfen. Und auch bei den Großen begann alles grandios, mit Mannschafts-Silber 2002 bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City. Was folgte war eine eigentlich grandiose Bilanz für den drahtigen Draufgänger in der Loipe. Vor der WM in Lahti durfte Kircheisen auf insgesamt 14 Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen verweisen. Einziger Webfehler: Eine Goldene war nicht darunter. Was dem Mann aus dem Erzgebirge eine Vorsilbe bei seinem Spitznamen einbrachte: Aus „Eisen“ wurde „Silbereisen“.
Kircheisen musste im Verlauf seiner langen und erfolgreichen Laufbahn lernen, damit umzugehen, dass Gold ein nahezu unerreichbares Ziel bleiben sollte, der Platz an der Sonne für andere reserviert schien. Im eigenen Lager lief der mittlerweile 33-Jährige oft erfolglos gegen die Überflieger an, erst Ronny Ackermann, später Eric Frenzel und Johannes Rydzek. Das ging gerade in den ersten Jahren nicht immer ohne Komplikationen ab – was kein Wunder ist, wenn man den Ehrgeiz eines Björn Kircheisen in Rechnung stellt. Inzwischen ist Kirche ruhiger geworden, weiß, dass auch zweite und dritte Plätze mehr bedeuten, als nur erster oder zweiter Verlierer. Fast schon ein wenig demütig klingt es, wenn er sagt, dass er die Top-Platzierungen und die vielen Medaillen nach und nach schätzen gelernt habe.
Vielleicht hat das tiefe Tal geholfen, dass der Sachse in den letzten Jahren durchschritt. Denn als in Falun 2015 das DSV-Quartett zum ersten Mal seit Menschengedenken (1988) wieder ganz oben stand, bei einem Großereignis, da musste der Routinier als Ersatzmann zuschauen – vielleicht eine der bittersten Stunden seiner Laufbahn. Kircheisen gleich Alteisen? Die Rechnung ging nicht auf; Leidenschaft, Freude am Sport und der schon genannte Ehrgeiz sprachen einfach dagegen.
In diesem Winter ging die Leidenszeit zu Ende. Vielleicht auch, weil sich privat mit Saskia ein neues Glück eingestellt hatte. Möglicherweise aber auch, weil Björn Kircheisen – gestählt durch anderthalb Jahrzehnte Trainingserfahrung im Hochleistungsbereich – nun genauer auf den eigenen Körper hörte, die Vorbereitung umstellte, sich Auszeiten gönnte. Vorne mitlaufen konnte Kirche schon immer. Spätestens seit dem Sommer-Grand-Prix 2016 springt er aber auch wieder vorne mit. Und so kam die Nominierung für das Weltcup-Team geradezu folgerichtig. Und plötzlich war Kircheisen wieder mitten drin im Zirkus der Besten, holte Podestplätze und nach vier Jahren Abstinenz in Sapporo wieder einen Weltcupsieg.
In Lahti folgte nun endlich das ersehnte und fast schon nicht mehr für möglich gehaltene Highlight , die Krönung der sportlichen Laufbahn GOLD mit dem Team – 15 Jahre nach der ersten Silbermedaille. Dem Sachsen merkte man die Genugtuung über diese späte Krönung an, bei der Siegerpräsentation flossen sogar ein paar Tränchen. Die aber waren schnell weggewischt, vielleicht auch, weil der ungeliebte Spitzname „Silbereisen“ nun in die Mottenkiste wandert, „Goldeisen“ ist jetzt angesagt. Der WM-Titel von Lahti soll aber nicht der letzte Höhepunkt in der glanzvollen Karriere Björn Kircheisens bleiben. Sondern hoffentlich der Vorletzte. Denn wie hatte Kirche schon im Sommer verkündet: „Wenn ich in Korea Gold hole, höre ich auf!“
Quelle: VIESSMANN Werke GmbH & Co. KG