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Medienwissenschaftler Jo Groebel: Der Fußball hat die Grenzen der Vermarktung erreicht

Archivmeldung vom 30.08.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.08.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Signal Iduna Park vor einem Bundesliga-Spiel
Signal Iduna Park vor einem Bundesliga-Spiel

Foto: Pascal Philp
Lizenz: CC-BY-SA-2.0-de
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Medienwissenschaftler Professor Jo Groebel sieht den Fußball an einem Scheideweg. "Die Grenzen der Vermarktung sind erreicht", sagte Groebel der "Heilbronner Stimme" (Mittwoch): "Die Spirale der Vermarktung dreht sich immer schneller und weiter. Darüber geht die Seele des Fußballs verloren." Als Beispiele nannte Groebel die gigantischen Ablösesummen wie im Fall Neymar und des nun Ex-Dortmunders Dembélé, aber auch die Einführung des Videobeweises sowie die immer höheren Kosten für Zuschauer durch die Aufsplitterung der TV-Senderechte.

Viele Fans, die schon Jahrzehnte dem Fußball treu seien, hätten längst keine Illusionen mehr. Sie hätten sich damit abgefunden, dass es beim Fußball um eine Ware gehe. Aber, so der Medienpsychologe: "Es rückt der Zeitpunkt näher, dass selbst die treuesten Fans sagen: Von dieser Vermarktungsmaschinerie haben wir die Nase gestrichen voll."

Auf dem Transfermarkt würden inzwischen "absurde Preise" gezahlt, die nicht nur den Fans kaum noch vermittelbar seien. Sondern, so der Medienprofessor: "Das ist doch gar nicht mehr refinanzierbar. Weder durch Sponsoren noch durch immer höhere TV-Gelder. Der Markt ist völlig ausgereizt, und dass sich die heute getätigten Investitionen jemals rechnen, halte ich für völlig illusorisch." Groebel fügte hinzu: "Es geht offenbar nur ums Angeben. Ähnlich wie bei Multimilliardären, die nur darauf achten, ob ihre Yacht auch die längste auf den Weltmeeren ist."

Der Medienprofessor zieht in diesem Zusammenhang einen weiteren Vergleich: "Die Entwicklung auf dem Fußballmarkt erinnert an die Endphase des Neuen Marktes. Oder an den ersten Crash überhaupt, der im 17. Jahrhundert Europa erschütterte, weil alle auf Gewinnsteigerungen mit Tulpenzwiebeln spekulierten. In beiden Fällen wurde schließlich jeder Preis gezahlt - egal, ob ein reeller Wert hinter dem Investment steckt. Der Fußball sollte sich die beiden Beispiele genau anschauen."

Der Kollaps, so der Medienprofessor, werde kommen, sollte sich die Spirale weiterdrehen. "Dann sind einige wie Spielevermittler reich geworden, aber noch mehr Klubs werden pleite gehen."

Viele Fans hätten sich zwar damit abgefunden, viel Geld für Fußball im TV zahlen zu müssen. Doch Sender und Klubs sollten die Geduld der Zuschauer nicht überschätzen. "Wenn die gezeigte Ware den Preis nicht mehr wert ist, dann kollabiert der Fußballmarkt nicht nur auf der Finanzseite, sondern auch auf der Seelenseite." Und wenn der "Stecker erst einmal gezogen wird, kollabiert das gesamte System."

Für bedenklich hält er auch den Videobeweis. "Der Charme des Fußballs hat immer darin bestanden, dass jeder weiß, dass der menschliche Irrtum, der Subjektivitätsfaktor, aber auch der Glücksmoment, auch in einer Schiedsrichterentscheidung, dass dies alles eine große Rolle spielt."

Eine Verbindung sieht er in Verbindung zur sich immer schneller drehenden Finanzspirale. Groebel: "Da, wo es um große Summen geht, geht es auch um eine Scheinobjektivität. Je mehr es um das große Geld geht, je weniger will man Fehler zulassen. Wir leben in einer Welt, in der alle Dinge messbar sein sollen. Auch Dinge, die gar nicht messbar sind. Das nimmt dem Fußball jeden Charme."

Groebel ist der Ansicht, dass eine absolute Objektivität durch den Videobeweis gar nicht zu schaffen sei. Denn hinter der Technik des Videobeweises steckten auch nur Menschen - und die legen beispielsweise fest, welche Millisekunde eines Abspieles gezeigt wird, mit dem beispielsweise ein Abseitspfiff als richtig oder falsch bewertet werden soll.

Groebel: "Fußball ist immer auch Glück und Irrtum gewesen, darüber diskutieren die Menschen, das bewegt sie, das macht die Seele des Sports aus."

Quelle: Heilbronner Stimme (ots)

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