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Bierhoff warnt vor Finanz-Exzessen im Fußball

Archivmeldung vom 20.03.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.03.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Oliver Bierhoff
Oliver Bierhoff

Foto: Tomukas
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Oliver Bierhoff, Teammanager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, mahnt angesichts der Gagen-Explosionen im internationalen Fußball seine gesamte Branche: "Wir alle müssen aufpassen, nicht das Gefühl für die Summen zu verlieren, aber auch für die Emotionen der Fans. Die Gefahr besteht – und erst recht dann, wenn das Produkt, also die Leistung auf dem Platz, den Gagen nicht mehr zu entsprechen scheint", sagte Bierhoff dem "Handelsblatt".

Es müsse wieder mehr um den Sport gehen, "nicht nur um Transfers, Ablösesummen und Jahresgehälter". Gerade von der deutschen Mannschaft würden die Fans eine "erfrischende Spielweise" erwarten. "Und wenn wir ehrlich sind, haben wir nach der gewonnenen WM in Brasilien erstmal tief durchgeatmet", stellte Bierhoff selbstkritisch fest. "Es ist ja nur menschlich, dass man es sich nach einem solchen Erfolg ein bisschen bequemer machen möchte, nicht mehr den gleichen Biss zeigt." Zugleich erinnerte er: "Nach dem WM-Titel 1990 hat sich unser damaliger Teamchef Franz Beckenbauer in der Euphorie auch zu der Aussage hinreißen lassen, nun seien wir auf Jahrzehnte unschlagbar. Prompt haben wir uns zehn Jahre lang auf die Schulter geklopft und gar nicht gemerkt, dass Franzosen, Spanier, Niederländer und andere wieder an uns vorbei gedribbelt sind."

Umso wichtiger sei gezielte Arbeit mit dem deutschen Nachwuchs, um den es zwar "ganz gut" stehe. "Aber wir sehen auch dort, dass andere Nationen zumindest aufgeholt haben. Wenn wir Benchmark bleiben wollen, müssen wir immer wieder nachjustieren", sagte Bierhoff. Da solle die neue DFB-Akademie "das Silicon Valley oder Harvard des deutschen Fußballs werden". Es ist wichtig, "das landesweit vorhandene Know-how endlich unter einem Dach zu bündeln", erklärte der Teammanager und DFB-Direktor, der bis Anfang 2021 mit dem Start der Akademie rechnet. "Ohne gute Nachwuchsarbeit kein internationaler Titel. Und ohne Titel keine Begeisterung an der Basis. Immerhin verdanken wir etwa 70 Prozent unserer Umsätze der Nationalmannschaft", stellte Bierhoff fest. Vor diesem Hintergrund verteidigte er auch den Rauswurf der Damen-Nationaltrainerin Steffi Jones: "Da ging es nur um die sportliche Bilanz – und die war zuletzt einfach nicht so, wie wir uns das gewünscht hätten. Die Frauen müssen noch um das WM-Ticket kämpfen. Und wenn wir mit mehreren Experten nicht mehr den Eindruck haben, dass eine Wende zu erwarten ist, dann muss man handeln und korrigieren. Denn am Ende geht es um eines: den Erfolg."

Welchen Druck das zugleich bedeutet, hat zuletzt der Fall Per Mertesacker gezeigt, der auch Bierhoff "angesichts der Heftigkeit seiner Schilderung doch ein wenig überrascht" hat. Mertesacker hatte jüngst via "Spiegel" geschildert, wie der Profi-Sport ihn psychisch wie physisch fast zerstört hat. Bierhoffs Fazit: "Wir müssen mit aller Offenheit und Empathie noch stärker dem Individuum zuhören und Hilfestellungen anbieten. Es ist ein sehr komplexes Feld, in dem sicherlich auch die medial aufgebaute Erwartungshaltung nicht zu vernachlässigen ist: Hochjubeln und Runterschreiben können binnen weniger Tage stattfinden."

Er sehe Mertesackers Kritik am System durchaus "ambivalent: Man muss sich als Spieler bewusst sein, dass man immer wieder mit enormem Druck von außen und ständiger Bewertung konfrontiert wird – durch Fans, Vereine, Sponsoren, Medien. Dabei müssen wir den Akteuren aber auch helfen. Und sie müssen sich helfen lassen." Ob der Fall Mertesacker etwas ändern werde, sei "schwer zu sagen. Man wird wieder eine Zeit lang genauer hinschauen. Das war ja auch nach dem Selbstmord von Robert Enke im Jahr 2009 so, der mich persönlich sehr traf. Die Nachhaltigkeit herzustellen, ist ein wichtiges Thema, da sind wir alle gefragt. Es geht um junge Menschen, da sind keine Roboter am Werk. Das dürfen wir nie vergessen."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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