Doping-Experte Werner Franke warnt vor Spätschäden bei BRD-Athleten
Archivmeldung vom 06.08.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.08.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Doping-Experte und Professor für Molekularbiologe in Heidelberg, Werner Franke, warnt im ZDF-Magazin "Frontal 21" am Dienstag, 6. August 2013, 21.00 Uhr, vor Spätschäden bei mit Wachstumshormonen gedopten BRD-Athleten: "Wachstumshormone wurden damals aus Leichen gewonnen, vertrieben und verabreicht", erklärt Franke. "Es stellte sich heraus, dass die Präparate die Creutzfeldt-Jakob Krankheit hervorrufen konnten, also eine stark psychotische Krankheit, die letztlich sogar tödlich enden kann." Das habe in Frankreich dazu geführt, dass solche Fälle registriert und entschädigt wurden. Auch deutsche Betroffene müssten jetzt untersucht werden und eine Entschädigung erhalten, fordert Franke im "Frontal 21"-Interview.
In einer gestern veröffentlichten Studie dokumentieren Sportwissenschaftler der Humboldt-Universität Berlin systematisches Doping in der Bundesrepublik, mit Steuergeldern finanziert. So wurde beispielsweise der Erwerb von menschlichen Wachstumshormonen von den staatlichen Institutionen bewilligt. Die Studie wurde vom Auftraggeber, dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft, und dem Bundesinnenministerium lange unter Verschluss gehalten, angeblich aus Datenschutzgründen. Giselher Spitzer, Sporthistoriker und Leiter des Projektteams, erhebt im "Frontal 21"-Interview schwere Vorwürfe: Wichtige Akten zu Doping im Westen seien noch vor der Auftragsvergabe vernichtet worden. Die Bestände seien hoch brisant. "Das ist eine Katastrophe, das muss geklärt werden, auch auf der Ebene des Parlaments. Es muss Rechenschaft abgelegt werden, wer hat wann, warum diese Akten vernichtet", fordert Spitzer im ZDF.
In der Studie machen die Forscher die westdeutschen Sportmedizin-Professoren Herbert Reindell und Joseph Keul als treibende Kräfte für Doping im Westen aus. Unterstützt wurden sie offenbar vom damaligen NOK-Präsidenten Willi Daume. Das bestätigt Manfred von Richthofen, NOK-Mitglied und Anfang der 90er Jahre Leiter der Ad-hoc-Kommission zur Beratung in Dopingfragen, gegenüber "Frontal 21". "Wir sind sehr schnell dahinter gekommen, dass es eine eigenartige Zentrale in der Verwendung von unerlaubten Mitteln in Freiburg gibt. Aus diesem Grunde haben wir Herrn Prof. Keul angehört, zweimal, und er hat uns gedroht, er würde rechtlich gegen uns vorgehen, wenn wir weiter so unangenehme Fragen stellen würden, wie wir sie gestellt haben." Er habe NOK-Chef Willi Daume dann gebeten, Joseph Keul als leitenden Olympia-Arzt abzuberufen, Daume habe das Gespräch einfach abgebrochen und nichts unternommen. Von Richthofen räumt ein, dagegen machtlos gewesen zu sein. "Wir sind in der Sache nicht weitergekommen, weil wir ja keine Staatsanwaltschaft darstellen konnten", so von Richthofen gegenüber "Frontal 21". Die rechtliche Basis für den Kampf gegen Doping sei zu dünn gewesen. Er fordert deshalb eine Verschärfung der Anti-Doping-Gesetzgebung. Das Bundesinnenministerium weist auf Nachfrage von "Frontal 21" Vertuschungsvorwürfe zurück. Es habe in den vergangenen Jahren bereits umfangreiche Veröffentlichungen von Ergebnissen aus dem Projekt gegeben. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft ergänzt, es habe alle relevanten Akten dem Bundesarchiv zur Übernahme angeboten. "Das BISp hat zu jeder Zeit die Vorschriften des Bundesarchivgesetzes beachtet. Die letzte Aussonderung von Akten des BISp fand 2004/2005 statt", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
Quelle: ZDF (ots)