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Saisonfazit: Deutschlands nordische Skisportler sehen vor dem WM-Winter noch viel Luft nach oben

Archivmeldung vom 23.03.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.03.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Karl Koch / ExtremNews
Bild: Karl Koch / ExtremNews

Hermann Weinbuch mag keine Ausreden. Deshalb schlich der Bundestrainer der Nordischen Kombinierer auch gar nicht erst wie die Katze um den heißen Brei, sondern bekannte nach Saisonende in Oslo offen: „Nicht alle unsere Vorstellungen für diesen Winter sind aufgegangen. Wir waren gut, aber das ist bei der Dichte an der Weltspitze eben oft nicht gut genug. Trotzdem bin ich im Grundsatz zufrieden.“

Weinbuchs Analyse kann man getrost unterschreiben. Die erfolgsverwöhnten Winterzweikämpfer des Deutschen Skiverbandes (DSV), im WM-Winter 2011 noch das Aushängeschild des Verbandes, waren zwar vorn mit dabei, die Richtung aber gaben andere vor. Positiv aber: Der deutsche Nachwuchs hat den Anschluss an die Weltelite hergestellt, die Möglichkeit für Deutschland, auch im Team endlich nach Gold zu greifen, scheint damit gewachsen. „Im nächsten Winter sind wir auch wieder in der Lage, um mehr Siege mitzukämpfen“, ist sich Weinbuch sicher. „Denn wir haben die Saison auch als Zwischenjahr gesehen und ein bisschen weniger intensiv trainiert.“

Davon kann bei den Langläuferinnen und Langläufern keine Rede sein. Aber alles war anders und vieles neu in diesem Winter zwischen Oslo und Val di Fiemme. „Ich habe so meine Schwierigkeiten, alle Dinge richtig einzuordnen“, lässt sich Bundestrainer Jochen Behle eher sybillinisch vernehmen. Zufrieden ist der Hesse mit dem Auftreten des oft gescholtenen Frauenteams. Hier sieht der Trainer die Zielvorgaben erreicht. Seinen Männern aber hatte der einstige Weltklasseläufer mehr zugetraut. „Ganz aufgegangen ist das Konzept, das wir gemeinsam erarbeitet hatten, nicht. Noch nicht!“, bekennt der 51-Jährige. Deshalb bezeichnet er die Saison gerade mit Blick auf die Senioren Axel Teichmann und Jens Filbrich als „durchwachsen“. Die beiden hatten Top-Platzierungen, dann aber wieder Totalausfälle. Zufriedener ist Behle dagegen mit dem Abschneiden von Tobias Angerer, der laut Trainer auch in diesem Winter überzeugt hat. Sorgen bereitet Behle der so genannte „Mittelbau“. „Uns fehlen hinter den Routiniers einfach leistungsstarke Leute Mitte Zwanzig“, gibt der Trainer zu. Das wird im kommenden Winter, wenn wir die Teams verkleinern, für einige ein böses Erwachen geben.

Wie im Traum dürfte sich dagegen Skispringer Richard Freitag fühlen. Der Youngstar aus dem Erzgebirge erlebte einen Sahne-Winter. Und sorgte in Harrachov für ein Novum, als ihm sein erster Weltcup-Sieg genau an jener Stätte gelang, an der knapp 29 Jahre zuvor sein Vater Holger auch schon aufs oberste Podest gehüpft war. Besser noch, Freitag war nicht der einzige DSV-Adler mit Siegambitionen, auch Severin Freund bewies, dass er inzwischen als ernsthafter Kandidat für Podiumsplätze von der Konkurrenz wahrgenommen wird. Höhepunkt für die Schützlinge von Bundestrainer Werner Schuster: Silber im Teamfliegen bei der WM auf der größten Schanze der Welt, im norwegischen Vikersund. Aber diese Medaille will der Österreicher in schwarz-rot-goldenen Diensten nicht überbewerten. „Wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen. Aber die Ansätze stimmen mich optimistisch“, sagt Schuster. Das Wort „Zwischenjahr“ will er für die Skispringer übrigens nicht gelten lassen. „Wir haben in jedem Jahr unsere Vier-Schanzen-Tournee – das ist vom Stellenwert her genau so wie eine WM.“

Bis zur Vierschanzentournee für Frauen ist es noch ein Stück. Aber die Amazonen der Lüfte eroberten sich in diesem Winter den Weltcup. Und aus deutscher Sicht stellten ausgerechnet die Skispringerinnen mit Ulrike Gräßler die erfolgreichste Nordische Skisportlerin dieses Winters! Gräßler wurde im Gesamtweltcup Vierte – nahezu unbemerkt von einer breiteren Öffentlichkeit. In den Fokus des Interesses rückten die Ski springenden Damen beim Weltcupauftakt in Lillehammer, als sie ihren Wettkampf gemeinsam mit den Herren absolvierten. Und Gräßler fiel auf, weil ihr das Pech an den Ski zu kleben schien, sie im Saisonverlauf neben zwei Podiumsplätzen gleich fünf Mal auf den undankbaren vierten Rang sprang. „Das ändert sich im kommenden Winter“, gibt sich die Sächsin optimistisch. „Ich habe noch Luft nach oben.“

Ulrike Gräßler hatte es in Oslo eilig. Die Vorzeige-Skispringerin aus Deutschland wollte beim Weltcupfinale nicht noch das gesamte Wochenende im Mekka des Nordischen Skisports verbringen. Gräßler zog es nach Hause. Doch die Heimat war nur Zwischenstation, denn nach den letzten stressigen Wochen stand der 23-Jährigen der Sinn mehr nach Entspannung. Deshalb trudelte die Sächsin schon am Samstagabend wieder im heimischen Eilenburg, einer Stadt in der Nähe der Messemetropole Leipzig, ein.

In Norwegens Hauptstadt hatte es für die beste deutsche Skispringerin der letzten Jahre, die ihre nationale Dominanz auch in der abgelaufenen Weltcupsaison unterstreichen konnte, nicht mehr zu einem Podestplatz gereicht. Überhaupt schrammte Gräßler (zu) oft nur knapp an einer Podiumsplatzierung vorbei, wurde insgesamt fünfmal Vierte. Das reichte zu Rang Vier im Gesamtklassement, und wenn Gräßler nicht zur Bescheidenheit neigen würde, so könnte sie nach Ablauf des Winters verkünden, die im Weltcup bestplatzierte Starterin des Deutschen Skiverbandes gewesen zu sein. Langlauf, Skispringen der Herren und Nordische Kombination inklusive. Gräßler aber bilanziert diesen Winter eher als neue Erfahrung. Interessant seien die Eindrücke gewesen, mehr noch nicht, so ihre Erfahrung. Und: Der Weg noch ein Stückchen weiter hinauf aufs Podest bleibt für den kommenden Winter vorbehalten. „Wir haben gesehen, was noch fehlt, aber insgesamt bin ich nicht unzufrieden“, stellt Gräßler nüchtern fest. Im kommenden WM-Winter hofft die Deutsche dann auch auf mehr mediale Präsenz. Und auf ein bisschen mehr Glück mit den äußeren Bedingungen, denn anno 2011/12 beutelte es die Deutsche mehrfach heftig, der Wind blieb das himmlische Kind, ihr Freund aber war er nicht. Beim Höhepunkt des nächsten Skiwinters wird in Predazzo gesprungen – dort weht der Wind meistens von hinten. Vielleicht ein gutes Omen für 2013?

Quelle: Erwin Bergel Viessmann Werke

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