Die Sorgen mit dem Mittelbau - nach den "Ü-30ern" klafft im deutschen Langlauf eine Lücke
Archivmeldung vom 06.01.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSelten hatte man Jochen Behle so sauer erlebt. Und der Bundestrainer machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. "Nach der Leistung, die wir hier gesehen haben, kann sich Franz Göring jetzt erst mal im Alpencup beweisen", hatte Behle Mitte Dezember nach dem enttäuschenden Abschneiden des Thüringers in Davos gewettert.
Göring, einst der Hoffnungsträger im deutschen Lager, war mit dem opulenten Rückstand von knapp 10 Minuten auf Sieger Petter Northug im Ziel erschienen. Eine echte Erklärung für den Einbruch konnte der Zella-Mehliser nicht liefern. "Die Höhe vielleicht, ich kam von Anfang an nicht so richtig klar mit der Umstellung." Göring stieg folgerichtig aus dem Weltcup aus, bekam aber zur VIESSMANN Tour de Ski noch einmal die Chance, im Konzert der Besten mehr als nur Misstöne zu produzieren. Der einstige Juniorenweltmeister, der bei der Premiere der Tour in Obersdorf schon auf dem obersten Treppchen gestanden hatte und die Schleife zwei Mal unter den Top-Ten der Gesamtwertung absolvierte, ist inzwischen aber schon wieder zuhause. Und Bundestrainer Behle resümierte leicht genervt: "Wir können mit den Leistungen unseres Mittelbaus, also der Sportler, die dem U-23-Alter entwachsen sind, nicht zufrieden sein. Ich erwarte Platzierungen in den Weltcuppunkten und zwar mehr als die Ränge um die 30. So haben es die Athleten schwer, sich im nächsten Winter im Kader zu halten."
Der nächste Winter wird der Scharfrichter im deutschen Skilanglauf. Absolvierte Behle die Vorbereitung auf die Saison 2011/12 noch mit einem Riesenkader, soll die Vorbereitung auf dem WM-Winter mit einer deutlich kleineren Mannschaft in Angriff genommen werden. Für Sportler wie Andreas Katz, Philipp Marschall, Tom Reichelt oder eben auch Franz Göring kann es da eng werden. Göring weiß das und will kämpfen. Zumal er auch auf eine beeindruckende Serie von Pleiten, Pech und Pannen verweisen kann.
Pflasterten ohnehin diverse Brüche von Ellenbogen, Daumen oder Kahnbein seinen Weg, kam es in den letzten Jahren ganz dicke. Erst erwischte den mittlerweile 27-Jährigen eine schwere Gürtelrose, dann riss nach einem Unfall kurz vor Beginn der Olympiasaison das Syndesmoseband im rechten Fuß – die Folge: ein Jahr Pause und im letzten Winter quälte sich Göring gemeinsam mit dem Rest des Teams von grippalem Infekt zu grippalem Infekt. "Ich habe das Training noch mal umgestellt, eigentlich gehofft, dass sich die Veränderungen positiv auswirken", reagierte der zweifache WM-Medaillengewinner mit der Staffel (4 x 10 km, 2009 Silber, 2011 Bronze) ziemlich niedergeschlagen. Jetzt muss ich erst mal den Kopf frei bekommen. Und Göring muss über das Material nachdenken. Sowohl in Oberhof als auch beim Skiathlon in Oberhof war der Thüringer im Klassik-Bereich nämlich auf gnadenlos schlechten Ski unterwegs. "Den Berg rauf rutschte es, Berg runter musste ich schieben – eigentlich sollte der Ski so präpariert sein, dass es genau andersherum funktioniert", war Göring sauer. Als Vorwurf an die Skitechniker wollte er den Satz aber nicht verstanden wissen. "Die haben Tag und Nacht gearbeitet, da stellt dir keiner mit Absicht so ein Brett vor die Nase." Göring will nun Kräfte sammeln und – wenn möglich – beim Weltcup in Otepää (Estland) wieder angreifen. Ob Jochen Behle im die Chance dazu gibt – mal abwarten.
Quelle: Erwin Bergel VIESSMANN Tour de Ski