Das Phantomtor von Hoffenheim: wenn Fußball unsere Wahrnehmung übersteigt
Archivmeldung vom 26.10.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.10.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSpieler und Schiedsrichter sind in einem Fußballspiel mit einer Vielzahl von schnell wechselnden Sinneseindrücken konfrontiert. Idealerweise sollte ihre Aufmerksamkeit jederzeit auf mehrere Stellen des Spiels gerichtet sein: auf den Ball, den Stürmer, das Tor. Dieser Idealzustand ist jedoch mit der menschlichen Wahrnehmung nicht zu erreichen, wie jetzt Untersuchungen der Kognitionspsychologen Prof. Dr. Markus Huff von der Universität Tübingen und Prof. Dr. Stephan Schwan vom Leibniz-Institut für Wissensmedien zeigen.
Menschen sind in der Lage, mehrere bewegte Objekte gleichzeitig zu beobachten. Dementgegen stehen zwei Phänomene, wie Prof. Dr. Markus Huff und Prof. Dr. Stephan Schwan in ihren Studien nachgewiesen haben: je mehr Objekte oder Personen sich gleichzeitig in einer Szene bewegen und je schneller sie dies tun, desto fehleranfälliger wird unsere Wahrnehmung. Gerade in spannenden und schnellen Spielsituationen ist es nicht möglich, alles zu überblicken. Aufmerksamkeit und Wahrnehmung variieren mit der Zeit. In Bezug auf Fußball beispielsweise sind Menschen besonders aufmerksam, wenn der Ballbesitz zwischen zwei Fußballmannschaften wechselt. Wird der Ball dagegen innerhalb eines Teams gespielt, wird weniger Aufmerksamkeit beansprucht. Hinzu kommt eine dritte Eigenschaft der menschlichen Wahrnehmung: Menschen ergänzen basierend auf ihren Erfahrungen nicht wahrgenommene Sachverhalte und erinnern diese dann entsprechend. In einem Experiment sahen Versuchspersonen kurze Filmclips, die einen Wurf zeigten, jedoch den Zeitpunkt des Abwurfs ausließen. Die Versuchspersonen erinnerten später aber konsistent auch den Abwurf.
„Vor dem Hintergrund dieser Eigenschaften der menschlichen Wahrnehmung ist es überraschend, dass die meisten Entscheidungen von Schiedsrichtern eine so hohe Korrektheit aufweisen“, hebt Markus Huff von der Universität Tübingen hervor. Dies bestätigen Zeitlupenaufnahmen von kritischen Szenen immer wieder. Ihre hohe Expertise hilft den Schiedsrichtern, Entscheidungen auch unter suboptimalen Wahrnehmungsbedingungen (hohe Geschwindigkeit, eingeschränkte Sichtverhältnisse) zu treffen. In komplexen Spielsituationen kann es jedoch immer wieder zu Fehlentscheidungen kommen, solange technische Hilfsmittel wie der Videobeweis im Fußball nicht zugelassen sind. Damit werden die Fans leben müssen.
Quelle: Leibniz-Institut für Wissensmedien - Knowledge Media Research Center (idw)