Leipziger Volkszeitung zu Dopingrazzia bei Olympia
Archivmeldung vom 21.02.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.02.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Österreicher also. Nicht etwa die Russen, die noch in Salt Lake City durch mehrere Doping-Sünder aufgefallen waren und erst vor wenigen Tagen mit der Biathletin Olga Pylewa daran anknüpften. Erwischt wurden auch nicht andere übliche Verdächtige aus den Ablegern des einstigen Riesenreichs.
Ebenso wenig die Finnen, die
in Turin lieber hinterherlaufen, als sich noch einmal positiv testen
zu lassen und damit für negative Schlagzeilen zu sorgen. Sie hatten
vor fünf Jahren, als ihre Machenschaften publik wurden, ihr ganzes
Land in einen Schock versetzt. Der hat nun die Alpenrepublik
erreicht.
Dabei muss in Österreich, das so stolz auf seine Skifahrer ist,
kein Athlet zu Spritzen und Ampullen greifen, um die Segnungen der
westlichen Welt zu genießen. Was einmal mehr zeigt: Der Griff zum
Verbotenen erfolgt unabhängig von geografischer, politischer und
sozialer Herkunft. Die Gründe dafür sind vielfältig. Das Motiv, den
erhofften Erfolg in bare Münze umzusetzen, dürfte dabei nach wie vor
an vorderster Stelle liegen. Olympiasieger waren zu allen Zeiten
vieler Sorgen ledig, die den Durchschnittsbürger im Alltag begleiten.
Von der Antike bis zur Gegenwart. Manipuliert wurde deshalb schon
immer, auch daran hat sich nichts geändert.
Geändert hat sich das Vorgehen der olympischen Funktionäre und die
Haltung mancher Regierungsstellen, vor allem der italienischen. Die
Zeit des Wegsehens und stillen Duldens ist ein für allemal vorbei
- die Razzia der Behörden hat es eindrucksvoll bewiesen. Wer sündigt,
kann sich nicht mehr sicher sein, unentdeckt zu bleiben und
ungestraft zu entkommen. Allerdings scheint es, als ob der
Doping-Sumpf auf eine Art und Weise trocken gelegt werden soll, unter
der auch Unschuldige leiden. Das harte Vorgehen gegen die
österreichischen Langläufer am Vorabend ihres Staffel-Wettkampfes war
unverhältnismäßig und ist im Nachhinein nur gerechtfertigt, wenn auch
ihnen verbotene Stimulanzien nachgewiesen werden.
Ihre Biathlon-Kollegen haben sich von selbst diskreditiert. Wer
flieht, gerät automatisch ins Zwielicht. Deshalb wird es Wolfgang
Rottmann und Wolfgang Perner nach ihrer plötzlichen Abreise kaum
gelingen, den Verdacht gegen sie zu entkräften. Das merkwürdige
Verhalten des österreichischen Trainers Walter Mayer trägt noch
weniger dazu bei. Einer Polizeikontrolle weicht keiner aus, der sein
Auto mit reinem Gewissen steuert. Wer solche Trainer beschäftigt,
muss sich nicht wundern, wenn nun sein ganzes Team argwöhnisch
betrachtet wird.
Bei diesen Spielen können die Sportler in rot-weiß-rot bislang auf
eine glänzende Ausbeute verweisen. Das gestrige Dreifach-Gold durch
Michaela Dorfmeister, Benjamin Raich und die Skispringer dürfte
Balsam auf die österreichische Seele gewesen sein. Doch den
Manipulations-Verdacht gegen die Biathleten können die Medaillen
nicht entkräften. Vielmehr ist es wie oft im Leben: Schwarze Schafe
werden mit der ganzen Herde in Verbindung gebracht. Es ist an den
Österreichern, mit Offenheit für klare Verhältnisse zu sorgen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung