Möglichkeiten und Grenzen des Gendoping
Archivmeldung vom 15.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSpezialisten befürchten seit einiger Zeit die Anwendung genetischer Manipulationen im Spitzensport. Beim so genannten Gendoping wird DNA von leistungsrelevanten Genen in die Körperzellen der Sportler eingeschleust. Diese transgene DNA sorgt dann vor Ort für eine erhöhte Produktion körpereigener leistungssteigernder Stoffe.
Möglich wird dies beispielsweise durch die Verwendung geeigneter Viren als Genfähren, die transgene DNA entweder ins menschliche Genom integrieren oder im Zellplasma einlagern können.
Das resultierende Genprodukt ist mit der natürlichen Substanz identisch und lässt sich daher nicht nachweisen. Dr. Dr. Perikles Simon von der Abteilung Sportmedizin der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen hat jetzt ein Verfahren entwickelt mit dem sich geringste Spuren transgener DNA auch im Blut nachweisen lassen.
Bei Anwendung der bisher gängigen Gentransferverfahren am Menschen ist davon auszugehen, dass transgene DNA oder Bruchteile derselben in irgendeiner Form im Blut anfallen. Die Menge der im Blut befindlichen tDNA-Moleküle ist dabei prinzipiell davon abhängig wie lange ein Gentransfer zurückliegt und auf welche Weise dieser erfolgte. Ein klassisches Beispiel für ein Gendoping wäre die Vermittlung einer tDNA in Form der genetischen Basenabfolge, welche für das leistungssteigernde (da blutbildende) Protein Erythropoetin kodiert.
Ein direktes Gendoping-Testverfahren sollte in der Lage sein, in einer gängigen Blutprobe von rund zehn ml einige wenige Moleküle transgener DNA spezifisch nachzuweisen.
Hieraus erwachsen erhebliche
technische Schwierigkeiten. Zunächst einmal ist das Massenverhältnis zwischen
der gesamten in der Blutprobe vorhandenen DNA und der transgenen DNA in etwa mit
dem Faktor 1014 anzusetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass die transgene DNA in
einer durchschnittlichen Blutprobe mit rund zwei bis zehn Millionen Molekülen
der im Gesamtpool vorhandenen DNA fast identisch ist. Bei diesen fast
identischen Molekülen handelt es sich im Konkreten um die Sequenz des in
natürlicher Weise in allen Zellen vorhandenen Gens, welches homolog zur
vermittelten tDNA ist. Um auf das Beispiel zurück zu kommen, ist eben die tDNA
Erythropoetin homolog zur Sequenz des natürlich vorkommenden Erythropoetin-Gens.
Transgene DNA, die dem Menschen erfolgreich vermittelt werden kann,
enthält allerdings bestimmte Sequenzabschnitte, die in fast jedem menschlichen
Gen vorhanden sind - so genannte Introns - nicht. Mit Hilfe dieses Unterschieds
und durch Einsatz und Modifikation der in der Präimplantationsdiagnostik
(Reproduktionsmedizin) bereits eingesetzten single cell PCR (Polymerase chain
reaction) wurde ein Verfahren entwickelt, dass die wichtigsten dopingrelevanten
tDNAs, die bereits in der klinischen und experimentellen Gentherapie verwandt
werden, hochsensitiv nachweisen kann.
Wie in der klassischen single cell PCR
werden bei dem Verfahren zwei PCR-Durchläufe hintereinander durchgeführt, wobei
eine Verdünnung des Ergebnisses des ersten Laufs in einem zweiten Lauf
eingesetzt wird. Hierdurch wird auch der Hintergrund an vorhandener Gesamt-DNA
herabgesetzt. So genannte Primer sorgen dabei für eine spezifische Erkennung der
tDNA und im Rahmen der PCR für eine exponentielle Vervielfältigung der tDNA. Die
Primer im ersten und zweiten Durchlauf sind dabei unterschiedlich gewählt, um
eine möglichst hohe Spezifität zu erreichen. In Laborversuchen ist es auf diese
Weise gelungen, in der Gesamt-DNA aus zwei ml Blut vier Moleküle zuvor
zugegebener tDNA des Erythropoetin Gens spezifisch nachzuweisen. Hierfür wurde
die tDNA ver-1013-facht, um sie in einfacher Weise in einer
Standard-Gel-Elektrophorese sichtbar machen zu können.
Zurzeit befindet
sich das Verfahren noch in der Weiterentwicklung. Auf Grund vorgegebener
Grenzen, wie beispielsweise dem Volumen der Blutprobe, ist allerdings nur noch
von einer bedingten Ausbaufähigkeit für die Sensitivität auszugehen.
Ziel ist es, die Methode so weiter zu entwickeln, dass sie letztendlich
auch für den Einsatz als Nachweisverfahren von Gendoping in Frage kommt. Dies
ist zwar mit dem Einsatz nicht unerheblicher Ressourcen verbunden, könnte sich
aber auch lohnen, wenn man bedenkt, dass der Markt des ethisch in mancherlei
Hinsicht als sehr bedenklich eingestuften genetischen enhancements vor
Leistungssportlern und Nahrungsmitteln möglicherweise nicht halt
macht.
Trotz der im Laborversuch bereits erreichten Sensitivität für den
Nachweis von Erythropoetin tDNA bleibt zunächst offen, ob und wie lange sich bei
den teilweise sehr unterschiedlichen Gentransferverfahren tDNA im Blut
nach-weisen lässt. Im günstigsten Fall weist ein einmal gengedopter Athlet noch
auf Jahre hinaus in geringen Mengen tDNA im Blut auf und könnte dann auch Jahre
nach erfolgtem Gentransfer überführt werden. Ein positiver Befund kann auch
Jahre nach Gentransfer zustande kommen, wenn transfizierte Zellen in größerem
Umfang absterben oder auch geschädigt werden - wie beispielsweise Muskelzellen
nach starker sportlicher Belastung- und in der Folge tDNA in das Blut
freigesetzt wird. Auf diesem Prinzip basiert in der Tumordiagnostik der
Direktnachweis tumorspezifischer DNA im Blut und Stuhl.
In jetzt
unmittelbar anstehenden Untersuchungen wird das Verfahren zunächst auf seine
Spezifität an Sportlern und Normalprobanden getestet. Es gilt in erster Linie zu
vermeiden, unschuldige Sportler falsch positiv zu testen.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.