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Politiker fordern Rücktritt von Bahn-Boss Mehdorn

Archivmeldung vom 13.09.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Der Druck auf Hartmut Mehdorn wächst: Nach der geplatzten Einführung des Schalterzuschlags fordern mehrere verkehrspolitische Sprecher der Parteien nun den Rücktritt des Bahn-Bosses. Der ließ indes offen, ob er die entgangenen Einnahmen auf anderem Weg eintreiben will.

Der SPD-Politiker Hermann Scheer sagte, Mehdorn agiere, als sei er der Eigentümer der Bahn und nicht der Vorstand eines Unternehmens. Der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Dirk Fischer (CDU), betonte, er sei von der Verlängerung von Mehdorns Vertrag bis 2011 "ohnehin alles andere als begeistert" gewesen. Der Fahrgastverband Pro Bahn sagte, Mehdorn habe "überhaupt kein Gespür mehr für die Bedürfnisse der Fahrgäste". Er denk "nur an potenzielle Aktionäre".

 

Nach massivem Druck aus dem Kanzleramt und von Kunden hatte die Bahn am Morgen erklärt, auf die Schaltergebühr beim Fahrkarten-Kauf zu verzichten. Ursprünglich sollten Kunden ab dem 14. Dezember 2,50 Euro für jedes Fernticket zahlen, das sie am Schalter lösen.

Der Rückzieher aus dem Bahntower kam vergleichsweise rasch. Schon einmal hatte Mehdorn nach einem Sturm der Entrüstung einen Rückzieher machen müssen - ein Ende 2002 gestartetes Tarifsystem samt Abschaffung der beliebten Bahncard mit 50-Prozent-Rabatt wurde erst nach acht Monaten gestoppt. Nun überlebte die Idee des Bedienzuschlags gerade einmal zwei Wochen, nachdem ihn Personenverkehrsvorstand Karl-Friedrich Rausch bekanntgemacht hatte.

Horst Friedrich, Bahn-Experte der FDP, erinnerte in diesem Zusammenhang an den Flop vor fünf Jahren. Damals hätten "die unteren Chargen bei der Bahn" ihre Büros räumen müssen. "Der Vertrag von Herrn Mehdorn wurde verlängert."

Friedrich warf der Bahn zudem vor, die Preise seit 2004 um 22,9 Prozent erhöht zu haben. "Mit gestiegenen Lohnkosten haben die Preiserhöhungen nichts zu tun", sagte er. Tatsache sei, dass der Personalaufwand im Fernverkehr 2007 mit 586 Millionen Euro sogar niedriger lag als 2004 mit 599 Millionen Euro. Mit dem Fahrplanwechsel am 14. Dezember werden die Fahrkarten der Bahn um durchschnittlich 3,9 Prozent teurer.

Regierung streitet Einflussnahme ab

Aus unternehmensnahen Kreisen hieß es, Kanzlerin Angela Merkel habe sich in den vergangenen Tagen für den Verzicht auf die Gebühr starkgemacht. Laut einem Zeitungsbericht teilte sie Bahnchef Hartmut Mehdorn in einem Telefonat "ihr Unbehagen über die Bedienzuschläge" mit. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wollte dies nicht bestätigen.

Im Gegenteil: Nach Mehdorns Kehrtwende bemühte sich die Regierung, dem Eindruck einer Einflussnahme entgegenzutreten. "Der Vorstand hat eine eigene Entscheidung getroffen", beteuerte Wilhelm. Überhaupt seien die "Einschätzungen der Politik" doch nur Teil der "vielen öffentlichen Stimmen" gewesen.

Ganz anders reagierte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee: Der SPD-Politiker begrüßte, dass der Bahn-Vorstand "zur Vernunft gekommen" sei - und fügte ausdrücklich hinzu, dass seine "intensiven Gespräche" mit Mehdorn in den vergangenen zwei Wochen dazu geführt hätten, dass der Zuschlag vom Tisch kam.

Als Börsenaspirant steht der noch 100-prozentig bundeseigene Konzern unter verschärfter Beobachtung der Finanzmärkte - Investoren in spe dürften die Kraftprobe kurz vor der Ende Oktober erwarteten Ankunft am Kapitalmarkt verfolgt haben. Wilhelm sagte, die Debatte um den Zuschlag könne den für Ende Oktober geplanten Börsengang der Bahn nicht belasten. Der Bund werde weiter die Mehrheit an dem Unternehmen halten. "Die öffentliche Akzeptanz kann bewahrt bleiben."

Bahnchef Hartmut Mehdorn verteidigte die Pläne für die Gebühr in einem Brief an seine Mitarbeiter noch einmal mit den Energiepreisen und Personalkosten: "Die emotionale Diskussion dieses Themas in der Öffentlichkeit zeigt jedoch, dass der geplante Bedienzuschlag auf grundsätzliche Ablehnung stößt." Offen ließ er, ob der Konzern nun auf anderem Weg die entgangenen Einnahmen eintreiben will.

Ver.di warnt vor Preiserhöhungen an anderer Stelle

Die Bahn wollte mit der Gebühr unter dem Strich Zusatzeinnahmen von 60 Millionen Euro erwirtschaften - die bleiben nun aus. "Das ist zwar viel Geld, angesichts eines Umsatzes von mehr als 30 Milliarden Euro ist ein Verzicht aber zu verschmerzen", sagte der Bahn-Insider aus dem Aufsichtsrat.

Gewerkschaften und Fahrgastvertreter warnen indes vor Preiserhöhungen an anderer Stelle. "Wenn die Bahn die Einnahmen am Schalter nun nicht wie geplant erhöhen kann, wird sie versuchen, die Kosten zu senken", sagte Heidi Tischmann vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Zu befürchten seien Personalabbau und Schalterschließungen in kleineren Stationen. Die Gewerkschaft Transnet forderte prompt, eine von der Bahn eigentlich mit dem Zuschlag verknüpfte Standortgarantie für die 400 Reisezentren in der Republik auch ohne die Gebühr zuzusagen.

Die Vorstöße gegen den Bedienzuschlag waren gestern überraschend aufgebrandet. Bei der Aufsichtsratssitzung der Bahn am Mittwoch in London hatte das Thema kaum eine Rolle gespielt. Aus dem Umfeld des Gremiums hieß es, nur der Vertreter des Verkehrsministeriums habe dort leichte Bedenken geäußert, da der Zuschlag kurz vor dem geplanten Börsengang bekanntgemacht worden sei. Staatssekretär Matthias von Randow habe aber weder auf einer Abstimmung über das Thema bestanden noch habe er eine Diskussion ausgelöst. Gewerkschaftsvertreter hätten sich überhaupt nicht zu Wort gemeldet.

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