Gerangel in NRW um Sicherungsverwahrung
Archivmeldung vom 28.12.2010
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Freigeschaltet durch Fabian PittichWenige Tage vor Inkrafttreten der grundlegend reformierten Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher ist Nordrhein-Westfalen weiterhin auf der Suche nach einer geeigneten geschlossenen Einrichtung für diese Gewalt- und Sexualstraftäter. "Es wird zunächst eine Übergangslösung geben. Mittelfristig wird jedoch eine eigene Einrichtung geschaffen", sagte Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Dienstagausgabe).
Innerhalb der Landesregierung ist bislang strittig, ob Kutschatys Justizministerium oder das Gesundheitsressort von Barbara Steffens (Grüne) die neuartigen Therapieplätze federführend organisieren muss. Es gehe dabei um Verantwortlichkeiten und Budgetfragen heißt es dazu aus Regierungskreisen. In der Diskussion ist auch eine gemeinsame Einrichtung mit anderen Bundesländern. Kutschaty trat Spekulationen entgegen, das Zuständigkeitsgerangel könnte zu Lasten der Sicherheit gehen: "Seien Sie sicher: Wenn Zivilgerichte von Januar an auf Antrag der kommunalen Ordnungsbehörden die Unterbringung von ehemals Sicherungsverwahrten anordnen, wird das Land diese Plätze zur Verfügung stellen", so der Justizminister zu unserer Zeitung.
Schwerkriminelle, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 eigentlich freizulassen sind, sollen ab Januar unter bestimmten Bedingungen als "psychisch gestört" in neue Einrichtungen eingewiesen werden können. Diese dürfen aber weder Gefängnis noch Psychiatrie sein. Derzeit sind landesweit in den beiden Justizvollzugsanstalten Werl und Aachen 133 Schwerverbrecher in Sicherungsverwahrung untergebracht. In 16 Fällen musste in Folge des europäischen Richterspruchs bereits die Freilassung angeordnet werden. Bis 2020 könnten 50 weitere Häftlinge folgen. Justizminister Kutschaty rechnet nicht damit, dass mit der neuen Sicherungsverwahrung alle Schwerverbrecher dauerhaft hinter Gittern gehalten werden können: "Aber wir werden immerhin einen Teil potenziell gefährlicher Menschen in einem neuen gesicherten Bereich unterbringen können." Ende November hatte der Übergriff eines entlassenen Sexualverbrechers auf ein zehnjähriges Mädchen in Duisburg die Landespolitik alarmiert.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung