VdK-Präsidentin Mascher: Karlsruhe muss Kinder-Ausgrenzung durch Hartz IV kippen
Archivmeldung vom 20.10.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittUlrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, erwartet vom Bundesverfassungsgericht eine klare Kampfansage gegen die bisherige Hartz-IV-Regelung für Kinder. "Ich setze große Erwartungen in die Bundesrichter, dass sie diese falsche Berechnungsgrundlage kippen und zu der Erkenntnis kommen, dass Kinder nicht nur 70 oder 80 Prozent eines Erwachsenen verkörpern", sagte Mascher der "Leipziger Volkszeitung" (Mittwoch-Ausgabe).
Kinder hätten ganz andere Bedürfnisse, im Schulbereich oder in ihrer Freizeit. "Sie brauchen aber hoffentlich keinen Tabak oder Alkohol, für dessen Konsum bislang der prozentuale Regelsatz Geld vorsieht."
Die bisherige Regelung empfindet Mascher als "große Ungerechtigkeit" ."Es ist schon gravierend, wenn die entscheidenden Weichenstellungen für Kinder unter ärmlichen Bedingungen stattfinden. Diese Ausgrenzung durch Hartz IV ist nicht länger zu ertragen." Allerdings sei die Erhöhung des Regelsatzes nicht alles. Die VdK-Präsidentin regte an, mehr Gutscheine zu verteilen, die die Teilnahme von Kindern am Sport oder an der Kultur ermöglichten. "Ich wünsche mir außerdem, dass es wieder mehr Einmalleistungen gibt, die individuelle Entwicklungen von Kindern berücksichtigen." Als Beispiel nannte Mascher den Erwerb eines Fahrrads. "Wenn Sie die bescheidene Summe sehen, die für Mobilität oder Verkehrsteilnahme im Regelsatz vorgesehen ist, dann ist ein Kind längst erwachsen, ehe es das Geld für ein Fahrrad zusammen hat." Das gleiche gelte für den Wunsch eines Kindes, ein Instrument zu erlernen. "Mit Hartz IV ist das unmöglich. Hier werden Kinder an den Rand der Gesellschaft gedrückt und zu Außenseitern gestempelt. Ich bekomme da eine Gänsehaut, ich finde das schrecklich."
Die Behauptung der Bundesregierung, nach der die bisherige Hartz-Regelung ein lernendes System sei, bezeichnete Mascher als "naiven Trugschluss." "Wenn überhaupt, dann ist diese Lernfähigkeit eine sehr schwerfällige. Wenn nur alle fünf Jahre die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe für die Hartz-IV-Anpassung herangezogen wird, dann dauert das viel zu lang." Allein die Veränderungen, die es seit 2005 im Gesundheits- und Energiebereich gegeben habe, würden klar und deutlich zeigen, "dass die Lebenswirklichkeit schon zehn Schritte weiter ist, als die bisherige Hartz-Regelung."
Kritik übt der VdK an den bisherigen Zwischenergebnissen der Koalitionsgespräche von Union und FDP. "Bei allem, was bislang aus den Koalitionsrunden nach außen drang, habe ich noch nichts gehört, wie eine wirksame Armutsbekämpfung funktionieren soll. Gleiche und gute Bildungschancen für alle Kinder - das wäre eine gute Zwischenüberschrift im Koalitionsvertrag, unter der konkrete Schritte stehen müssen", so Mascher. Sie habe zudem die Sorge, dass die harten Einsparungen erst im zweiten Halbjahr 2010 bekannt würden.
Quelle: Leipziger Volkszeitung