Gysi zur Flüchtlingskrise: Bund muss Kommunen schnellstens entlasten
Archivmeldung vom 05.09.2015
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.09.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit Blick auf die Flüchtlingskrise fordert der scheidende Linksfraktionschef Gregor Gysi die schwarz-rote Koalition dazu auf, die Kommunen schnellstens finanziell zu entlasten. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Gysi: "Ein Land wie Brandenburg braucht in zwei Jahren zwei Milliarden Euro für Flüchtlinge, bekommt jetzt aber nur 15 Millionen. Das können Sie doch vergessen." Der Bund müsse hier die Kosten übernehmen. Andernfalls steige der Druck in den Kommunen derart an, "dass die rechtsextreme und rechtspopulistische Entwicklung, die wir ja jetzt schon haben, noch zunimmt", warnte er.
Angesichts der Krawalle vor Flüchtlingsunterkünften und anhaltender Hetze gegen Flüchtlinge und Migranten forderte Gysi außerdem, das umstrittene NPD-Verbot weiter voranzutreiben: "Ich bin kein Freund von Parteiverboten, aber da mache ich die eine Ausnahme", sagte er. Bestimmte Grenzen in Deutschland dürften nicht überschritten werden, betonte Gysi. Ein Verbot der Partei, die maßgeblich an den jüngsten Protesten gegen Flüchtlinge mitgewirkt habe, sei daher "wichtig nach innen und nach außen, um ein Signal zu setzen", sagte Gysi. Auch die Werbeslogans der NPD, darunter Hetzsprüche gegen Sinti und Roma, kritisierte Gysi scharf: Sie seien "rassistisch und gelogen".
Die EU-Staaten senden mit ihrem Streit um die Verteilung von Flüchtlingen ein völlig falsches Signal, erläuterte der Linksfraktionschef. Menschen könne man nicht einfach verteilen, wohl aber Kosten, sagte er. Der polnischen Regierung warf Gysi vor, in der Flüchtlingsfrage christliche Werte zu ignorieren. "Dass die polnische Führung zum Beispiel solche Schwierigkeiten mit Muslimen hat, liegt daran, dass sie zwar sehr katholisch ist, aber die Bergpredigt nicht verstanden hat." Neben einer fairen Kostenverteilung innerhalb der EU gelte es nun, endlich Fluchtursachen wie Kriege, Hunger, Not und Rassismus ernsthaft zu bekämpfen, forderte er.
Gysi: Chancen für Rot-Rot-Grün im Bund aktuell "eher schlecht"
Die Chancen, dass nach der Bundestagswahl 2017 eine rot-rot-grüne Regierung die Macht im Bund übernehme, schätzt Gregor Gysi, scheidender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, als momentan "eher schlecht" ein. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Gysi: "Es gibt überhaupt keine politische Wechselstimmung in der Bevölkerung, es gibt zu wenig Gespräche zwischen den Parteien. Und wir wissen ja auch noch gar nicht, ob wir überhaupt eine Mehrheit haben", sagte er.
Eine Rückkehr in die erste Reihe der politischen Akteure schloss der im Oktober scheidende Vorsitzende der Linksfraktion aus - mit kleinem Vorbehalt: "Ich muss mich bloß beherrschen, dass ich nicht versuche, heimlich doch wieder die Fraktion von hinten zu leiten. Abgesehen natürlich von Katastrophen, also wenn irgendwas so dramatisch wird... Aber nie zu früh", sagte Gysi. Als "Zweckoptimist" sei er sicher, dass seine mutmaßlichen Nachfolger, der Reformer Dietmar Bartsch sowie die Parteilinke Sahra Wagenknecht, Kompromisse im Sinne der Linkspartei finden werden.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)