Mögliche Schwan-Kandidatur belastet Koalition
Archivmeldung vom 24.05.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakVor der Beratung des SPD-Präsidiums am Montag über einen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten erhöhen Unionspolitiker den Druck auf die Sozialdemokraten. Auch Ex-Bundeswirtschaftsminister Clement von der SPD stellte sich gegen Kandidatur-Pläne seiner eigenen Partei.
Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Ingo Friedrich drohte in Falle einer Kandidatur in der «Bild»-Zeitung indirekt mit dem Ende der Großen Koalition: «Es gibt ein altes deutsches Sprichwort, das die SPD bedenken sollte: Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.»
Bundespräsident Horst Köhler hatte diese Woche angekündigt sich im kommenden Jahr erneut zur Wahl zu stellen. Ihn unterstützen die Unionsparteien und die FDP. Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan könnte von der SPD erneut als Gegenkandidatin benannt werden. Köhler hatte sich gegen Schwan bei der Wahl in der Bundesversammlung im Jahr 2004 durchgesetzt.
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff, forderte die SPD auf, in der Bundesversammlung die Wiederwahl von Köhler mit einer großen Mehrheit zu unterstützen. Köhler sei ein «populärer, kompetenter und ausgleichender Bundespräsident». Wulff appellierte an die Sozialdemokraten, Überlegungen über einen eigenen Präsidentschaftskandidaten «auf die Zeit nach Horst Köhler» zu verschieben. Die SPD schade Deutschland, «wenn sie unnötigerweise neue Konfliktfelder in die Koalition hineinträgt, wo so viele Sachfragen einer Lösung harren.»
Spitzenpolitiker der CDU warfen der SPD vor, mit einer möglichen Nominierung von Schwan ein Bündnis mit der Linkspartei auf Bundesebene im kommenden Jahr vorzubereiten. «Mit der Nominierung einer eigenen Kandidatin ist die SPD dabei, sich gegen die große Mehrheit der Bevölkerung zu stellen. Das wäre ein klares Signal für rot-rote Bündnisse», sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder «Bild am Sonntag». «Die SPD ist quasi führungslos. Sie lässt sich von Frau (Andrea) Nahles zu den Linken treiben - so wie in Hessen jetzt auch im Bund.»
Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte dem Blatt: «Mit der Nominierung von Gesine Schwan beseitigt SPD-Chef Kurt Beck die letzten Zweifel, dass er mit der Linken im nächsten Jahr auch auf Bundesebene zusammenarbeiten will. Die SPD hat sich damit als Volkspartei aufgegeben. Die Entscheidung für Frau Schwan beweist: Die Gefahr einer rot-rot-grünen Republik ist so groß wie nie zuvor.»
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) forderte die SPD auf, eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei auszuschließen. «SPD-Chef Beck hat einen Riesenfehler gemacht, als er die Tür zur Linkspartei geöffnet hat. Dieser Fehler kann aber noch korrigiert werden. Ich fordere die SPD auf, mit einem Parteitagsbeschluss zweifelsfrei klarzustellen, dass es keine Zusammenarbeit mit der Linken geben wird, weder nach der nächsten Bundestagswahl, nach Landtagswahlen oder bei der Wahl des Bundespräsidenten», sagte Rüttgers der Zeitung. Die SPD dürfe die Wahl des Bundespräsidenten «auf keinen Fall zu einem Objekt der Parteipolitik machen», so der stellvertretende CDU-Vorsitzende Rüttgers.
Köhler ist nach «Bild»-Informationen nachhaltig verärgert über Beck. In persönlichen Gesprächen mit dem Staatsoberhaupt habe der SPD-Chef noch bis vor kurzem breite Unterstützung der Sozialdemokraten für eine Wiederwahl Köhlers signalisiert, schreibt die Zeitung unter Berufung auf gut informierte Quellen in Berlin. Vor etwa zehn Tagen sei Beck dann umgeschwenkt und habe den Bundespräsidenten völlig überrascht.
Ex-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement stellte sich in der Debatte gegen breite Strömungen seiner Partei. Der SPD-Politiker warnte in der Zeitung «Welt am Sonntag» vor einer Nominierung Schwans durch die Sozialdemokraten. «Da beißt keine Maus den Faden ab: Wer das will, der oder die setzt ein politisches Signal, und zwar für ein rot-rot-grünes Bündnis auf der Bundesebene», schrieb er. Derartige Wahlgänge gingen nie ohne Absprache vonstatten: «Für die SPD wäre das der Beginn einer Wende - gemeinsam mit PDS-Rot, weg aus der politischen Mitte.»
Clement, der in den vergangenen Monaten wegen mehrfacher Kritik an der SPD-Linie seinerseits innerparteilich scharf angegriffen worden war, sprach sich aus mehreren Gründen für eine zweite Amtszeit Köhlers aus. «Vor allem sind dies seine untadelige überparteiliche Amtsführung und sein unüberhörbares Engagement für eine Fortsetzung der Reformpolitik in Deutschland, um deren Notwendigkeit er aus seiner exzellenten Kenntnis der weltwirtschaftlichen Zusammenhänge offensichtlich besser weiß als manche der in Berlin Regierenden. Es ist sein für einen deutschen Präsidenten ungewöhnliches Engagement für den afrikanischen Kontinent als eigentlich natürlichen Partner Europas (...)», so Clement. «Und es ist sein eigener, sein unverstellter, von politischen Klischees weitgehend freier Umgang mit uns, den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes. Das spricht für ihn und macht ihn ja auch außerordentlich beliebt.»
Immer mehr SPD-Politiker sprechen sich unterdessen für einen eigenen Kandidaten ihrer Partei aus. «Es ist lächerlich, wenn die Union jetzt meint, der SPD irgendwelche Vorschriften machen zu müssen», sagte die Vorsitzende der Jungsozialisten, Franziska Drohsel, der Zeitung «Die Welt». «Außerdem wird es Zeit, dass endlich eine Frau das höchste Staatsamt bekleidet.» Der SPD-Bundestagsabgeordnete Steffen Reiche sagte, er hoffe, seine Partei trete mit einem eigenen Kandidaten an. «Kompliment an Horst Köhler, er macht seine Sache gut - und ich kenne nur eine, die das besser kann: Gesine Schwan.» Die hessische SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti sagte dem «Tagesspiegel», Schwan wäre «ein großer Gewinn für unsere Republik».
Die Wahl durch die Bundesversammlung findet in einem Jahr statt, am 23. Mai 2009. Bleibt es bei den jetzigen Plänen, kommt es erstmals zu einer Kampfabstimmung mit Beteiligung eines amtierenden Präsidenten. Köhler hatte am Donnerstag bekanntgegeben, dass er für eine zweite Amtszeit kandidieren will. Vor vier Jahren hatte er gegen Schwan nur knapp gewonnen.