Autoexperte: Bundesregierung steht wegen Opel vor einem Scherbenhaufen
Archivmeldung vom 06.11.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Bundesregierung hat sich nach Ansicht des Automobilexperten Stefan Bratzel von der Hochschule Bergisch-Gladbach mit ihrem Vorgehen in Sachen Opel geschadet.
"Sie steht vor einem veritablen Scherbenhaufen", sagte Bratzel der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". Die frühe Festlegung auf den Zulieferer Magna als Übernahme-Interessenten für Opel von General Motors (GM) sei falsch gewesen und habe deshalb auch die EU-Kommission auf den Plan gerufen, so der Automobilexperte. Trotzdem habe die Regierung dadurch nicht allen Einfluss in den weiteren Verhandlungen verloren, nachdem GM Opel nun doch behalten will: "GM wird eine Opel-Sanierung nicht ohne deutsche Gelder bestreiten können", sagte Bratzel.
IG Metall knüpft mögliche Staatshilfen für Opel an Bedingungen
Die IG Metall verlangt vor möglichen deutschen Staatshilfen für den angeschlagenen Autobauer Opel klare Zusagen des US-Mutterkonzerns General Motors (GM). "Staatliche Hilfen müssen an den Erhalt der Standorte, den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und eine klare Perspektive für die Werke gekoppelt werden", sagte IG Metall-Vizechef Detlef Wetzel der Essener WAZ-Gruppe (Freitagausgabe). "Eine Sanierung durch GM kann nicht gegen den Willen der Belegschaften und der IG Metall stattfinden", fügte Wetzel hinzu. Auch der Bochumer SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer, Chef der NRW-Landesgruppe im Parlament, verlangte: "Es darf keine Bürgschaft oder Staatshilfe ohne Standortsicherung geben."
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen zeigte sich skeptisch, was die Zukunft von Opel im GM-Konzern angeht. "So weiterzumachen wie bisher, bedeutet für Opel ein Sterben auf Raten", sagte Dudenhöffer der WAZ. Ohne Staatshilfe werde GM "knallhart Werke schließen". Doch auch mögliche deutsche Steuergelder seien bei GM "schlecht angelegt", sagte Dudenhöffer. Experten warnen bei einer ungewissen Zukunft von Opel vor negativen Auswirkungen für deutsche Automobilzulieferer. "Es hängen einige tausend Arbeitsplätze auch bei Zulieferern am Opel-Standort Bochum. Auch um diese Jobs geht es", sagte Lothar Schneider vom Auto-Cluster NRW, einer Initiative der Landesregierung. Schneider warnte vor weiteren Insolvenzen bei Zulieferbetrieben.
Hahn (FDP): GM hat Politik am Nasenring durch die Arena geführt
Der stellvertretende hessische Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn (FDP) sieht als Gründe für die Situation bei Opel auch Fehler der Politik. In der PHOENIX RUNDE sagte Hahn: "Der Staat ist von einem Unternehmen mit dem Nasenring durch die Arena gezogen worden." Das könne sich ein Staat nicht leisten. Auch habe sich die deutsche Politik zu lange auf Magna als einzigen Bieter für Opel festgelegt. "Dadurch haben wir letztlich auch ein Problem in Europa produziert, was wir alles nicht hätten machen müssen", so Hahn. Zudem bleibe ein Teil des zur Opel-Rettung aufgewendeten Geldes in jedem Fall verloren. "Da sind auch viele Steuergelder für Beratung und Ähnliches ausgegeben worden, die wir nie wieder sehen werden." Eine erneute staatliche Sonderbehandlung von Opel lehnte der FDP-Politiker ab. "Ich schließe aus, dass es noch einmal eine 'Lex Opel' gibt, wie wir es das letzte Jahr hatten. Aber es wird natürlich im Rahmen der Wirtschaftsförderung der volle Handwerkskasten genutzt werden können", so Hahn in der PHOENIX-Sendung.
Schild (IG Metall): Drei Milliarden reichen nur für Sozialpläne bei Opel
Auch der Frankfurter IG-Metall-Bezirkschef und Opel-Aufsichtsrat Armin Schild kritisierte in diesem Zusammenhang die Bundesregierung. "Das war in der Tat ein Prozess, der stümperhaft organisiert wurde. Und dann sollten wir auch sagen, wer ihn organisiert hat und wer dafür die Verantwortung trägt." Das seien die Bundesregierung und das Bundeswirtschaftsministerium gewesen, so Schild. Die Menschen bei Opel würden nun mit den Ergebnissen dieses Prozesses alleine gelassen. Schild widersprach zudem der Darstellung, insbesondere die Gewerkschaften hätten sich stets für Magna als Opel-Käufer eingesetzt. "Magna ist überhaupt nicht der Wunschpartner für Gewerkschaften und Arbeitnehmer. Magna ist ein harter angelsächsischer Arbeitgeber und kein Gewerkschaftsfreund." Die Bundesregierung habe jedoch kein ordentliches Bieterverfahren auf den Weg gebracht, kritisierte Schild. General Motors müsse sich nun für die Fehler seiner Manager bei den Menschen entschuldigen und einen Zukunftsplan vorlegen, der alle Standorte und Arbeitsplätze in Europa sichere. Er glaube jedoch nicht, dass General Motors dazu in der Lage sei. Mit den bereits angekündigten Investitionen von drei Milliarden Euro könne General Motors gerade einmal die Sozialpläne für die geplanten Entlassungen bezahlen, so Schild in der PHOENIX-Sendung.
Quelle: Rheinische Post / Westdeutsche Allgemeine Zeitung / PHOENIX