Ehemaliger NRW-Verfassungsgerichtspräsident warnt vor geplanten Anti-Diskriminierungsstellen: Gefahr von "Denunziationsstellen in privater Hand"
Archivmeldung vom 30.07.2022
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.07.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen, Michael Bertrams, hat das von der schwarz-grünen Landesregierung geplante System von Meldestellen für Diskriminierung scharf kritisiert. Den Einrichtungen fehle es an grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen, schreibt Bertrams im "Kölner Stadt-Anzeiger".
Ohne entsprechende gesetzliche Regelungen liefen sie Gefahr, "sich zu Denunziationsstellen in privater Hand zu entwickeln", so der Jurist, "zu Stellen also, in denen schlimmstenfalls mit einer Bezichtigung konkreter Personen ohne jede Überprüfung Hinweise auf ein vermeintlich diskriminierendes Verhalten platziert werden können".
Die vorgesehenen vier Einrichtungen würden den Anforderungen an eine transparente rechtsstaatliche Basis schon deshalb nicht gerecht, "weil es sich bei ihren Trägern um private Vereine handelt, die von ihrem Selbstverständnis her nicht neutral sind, sondern auf der Seite der potenziell Diskriminierten stehen". Jedenfalls fehle es den Meldestellen an einer gesetzlichen Grundlage, die dem verfassungsrechtlichen Gebot inhaltlicher Bestimmtheit genüge. "Es fehlt den Einrichtungen mit anderen Worten an klaren und transparenten Verfahrensregeln", moniert Bertrams.
Gänzlich unklar sei auch, was unter "Diskriminierungsvorgängen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze" zu verstehen sei, die nach dem erklärten Willen der Landesregierung in den Meldestellen registriert und in eine Datenbank eingespeist werden sollen. "Darüber, ob eine Diskriminierung strafbar ist oder nicht, entscheiden in einem Rechtsstaat nicht private Vereine, sondern der Staat in dafür vorgesehenen Verfahren bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht", schreibt Bertrams. Letzteren obliege auch die Prüfung, ob und inwieweit eine vermeintliche Diskriminierung unter Umständen vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei.
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger (ots)