Kelber warnt vor Ausweitung der Verfassungsschutzbefugnisse
Archivmeldung vom 14.10.2019
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Freigeschaltet durch André OttDer Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber (SPD), hat nach dem Anschlag in Halle Überlegungen kritisiert, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden zulasten des Datenschutzes auszuweiten.
"Dass Terroristen in den vergangenen Jahren nicht aufgehalten wurden, lag sicherlich nicht an zu viel Datenschutz", sagte Kelber der "Welt".
"Statt weitere Eingriffsbefugnisse in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zu fordern, sollte die Politik lieber bestehende Vollzugsdefizite abbauen und bereits vorhandene Befugnisse evaluieren." Problematisch sei etwa der von der Unionsfraktion erneut geforderte Zugriff des Verfassungsschutzes auf verschlüsselte Kommunikation. Sogenannte Hintertüren in verschlüsselten Chats "würden im Zweifel nicht nur von Sicherheitsbehörden genutzt werden, sie könnten auch ein Einfallstor für Kriminelle sein", sagte Kelber.
Ebenso kritisch sehe er Überlegungen, "pauschal die anlasslose und automatisierte Auswertung von Kommunikation zu ermöglichen". Dies wäre "ein tiefer Eingriff in die Grundrechte auch von Menschen, die sich überwiegend überhaupt nichts haben zuschulden kommen lassen". Als unproblematisch bewertet Kelber Pläne des Justizministeriums, soziale Medien zur Meldung von vermeintlich strafbaren Inhalten zu verpflichten. "Solange es um echte strafbare Inhalte geht, steht der Datens chutz weder einer Lösch- noch einer Meldepflicht der Plattformbetreiber entgegen."
Kelber warnt vor "Diskriminierungspotenzial" staatlicher Kontrolle
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) sieht eine zunehmende Kontrolle der Bürger durch den Staat. "Die Zurückhaltung des Staates bei der Frage, an welchen Stellen er Daten über seine Bürger erhebt und auswertet, hat erheblich nachgelassen selbst wenn viele unbescholtene Bürger zu Unrecht ins Visier der Behörden geraten", sagte Kelber der "Welt".
Konkret kritisierte Kelber die Weitergabe von
Fluggastdaten an die Sicherheitsbehörden. "Das System meldet Tausende
Personen als verdächtig, die völlig unbescholten sind." Es werde zudem
versucht, aus den Reisewegen problematisches Verhalten abzuleiten. "Wenn
jemand aber häufig aus privaten oder beruflichen Gründen zufällig
Routen nutzt, die auch Kriminelle wählen, kann das eventuell schon dazu
führen, unberechtigt in Verdacht zu geraten."
Kritisch sieht der Datenschutzbeauftragte auch den vom Bundesinnenministerium vorangetriebenen Einsatz von biometrischer Gesichtserkennung an Bahnhöfen. Tests hätten gezeigt, dass die Technik "enormes Diskriminierungspotenzial" biete. "Aus bestimmten Bevölkerungsgruppen werden deutlich häufiger Personen zu Unrecht als verdächtig gemeldet. Vor allem Jüngere und Dunkelhäutige laufen Gefahr, fehlverdächtigt und damit Ziel polizeilicher Maßnahmen zu werden."
Quelle: dts Nachrichtenagentur