Palmer warnt vor finanziellem Kollaps von Kommunen
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer warnt vor dem finanziellen Kollaps vieler Städte und Gemeinden durch immer neue Aufgaben im sozialen Bereich. Weil der Bund die Kommunen ständig zu weiteren Leistungen verpflichte, bahne sich ein "Desaster an, das die ohnehin taumelnde Republik vollends aus der Bahn werfen könnte", schreibt Palmer in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
Der frühere Grünen-Politiker, der die Partei 2023 im Streit verließ,
rechnet am Beispiel Tübingens vor, wie eine Stadt "in wenigen Jahren vom
schwäbischen Sparer zum Sanierungsfall" worden sei. "Die Einnahmen sind
nicht das Problem", schreibt Palmer. "Sie steigen zwar nur noch
langsam, aber bisher gehen sie nicht zurück. Verantwortlich für das
Haushaltsdefizit sind rasant steigende Ausgaben."
Neben den hohen
Tarifabschlüssen gebe es drei wesentliche Kostentreiber: "Das
Bundesteilhabegesetz, das gewaltige Lasten und Bürokratie erschaffen
hat, denen kein ausreichender Nutzen für Behinderte gegenübersteht. Die
Jugendhilfe, die mit stark steigenden Fallzahlen und der Erwartung, dass
der Staat alle Probleme in zerfallenden Familien lösen soll, heillos
überfordert ist. Und die Flüchtlingsversorgung, die sich auch indirekt
auf nahezu alle anderen kommunalen Leistungssysteme mit großen
Kostenbelastungen auswirkt", schreibt Palmer in der FAZ.
Palmer
warnt vor den Folgen dieser Politik: "Weil einfach nicht mehr Geld für
immer mehr Leistungen da ist, müssen die Standards auf breiter Front
runter. Einen unbezahlbaren Sozialstaat können sich nur Leute wünschen,
die unser Staatswesen von innen aushöhlen wollen."
Einen Ausweg
sieht er nur durch einen grundsätzlichen Politikwechsel. "Wir könnten
das Gestrüpp von Vorschriften mit der Axt abschlagen. Wir könnten bei
Bürgergeld und Rente mit 63 die Anreize zum Arbeiten vergrößern, statt
Untätigkeit zu fördern. Wir könnten das Steuerrecht reformieren und
Einwanderung auf den Arbeitsmarkt statt auf die Sozialhilfe ausrichten.
Wir könnten die Digitalisierung endlich machen und die Infrastruktur in
Ordnung bringen, wir könnten das Bildungswesen wieder auf Leistung
trimmen. Kurz, wir könnten alles angehen, was wir lange verschlafen
haben", schreibt Palmer.
Zudem plädiert er für längere
Arbeitszeiten: "Die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche könnte die
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stabilisieren und das
Fachkräfteproblem verringern." Wenn nicht gehandelt werde, drohten
unabsehbare Folgen: "Ich fürchte, wenn wir weiter nur zuschauen, wie
unser Wohlstand zerrinnt, werden wir in den 30er-Jahren noch ganz andere
Zumutungen diskutieren müssen. Noch ist Zeit umzusteuern, die Substanz
ist da, aber die Zeit, sie wird knapp."
Quelle: dts Nachrichtenagentur