Thierse: Linkspartei fährt im Umgang mit Vergangenheit doppelgleisig
Archivmeldung vom 18.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer SPD-Politiker Wolfgang Thierse hat der Linkspartei vorgeworfen, beim Umgang mit der DDR-Vergangenheit "doppelgleisig" zu fahren. Die Debatte um die jetzt aufgefundenen Schießbefehle habe gezeigt, dass es in der Linken "genügend Leute" gebe, "die sich glaubwürdig von diesem Teil der DDR-Geschichte distanzieren".
"Gleichzeitig gibt es viele, die die Akteure von
damals als Klientel bedienen", sagte Thierse dem Berliner
"Tagesspiegel am Sonntag". So hätten "die Taktiker wie das Duo Oskar
Lafontaine / Gregor Gysi" in dieser Sache "unüberhörbar geschwiegen".
Und Gysi habe kürzlich die ISOR, die Vereinigung ehemaliger
Stasi-Leute, besucht, sagte Thierse. Im Osten sei die Linke "eine Art
Volkspartei, die fast zwangsläufig an pragmatischem politischem
Handeln orientiert ist. Dort, wo sie regiert, macht sie schlicht
sozialdemokratische Politik." Auf Bundesebene aber sei "Lafontaine
damit befasst, diese Linkspartei zu einer linksradikalen, ja
populistischen Partei der Opposition zu machen. Dabei entwickelt er
eine große Begabung zur dramatischen Vereinfachung, zur Aufnahme von
Veränderungsängsten der Menschen", sagte Thierse. "Das, was
Lafontaine macht, nenne ich: Sozialstaatsnationalismus. Er knüpft an
die Erinnerungen an, die bei vielen noch lebendig sind: an die großen
Verteilungsspielräume, weil es großes wirtschaftliches Wachstum gab
und einen nationalen Arbeitsmarkt und nationalen Sozialstaat. Nur:
Das alles gibt es nicht mehr und wird es so nie wieder geben, denn es
war an Grenzen und Mauern gebunden", sagte Thierse. "In einer offenen
Welt ohne Grenzen bedeutet die Beschwörung alter Politikrezepte die
Erzeugung von Illusionen und damit Verrat an den Menschen, für die
man Politik zu machen vorgibt."
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel