Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur kritisiert interreligiösen Dialog: "komplett sinnlos"
Archivmeldung vom 07.09.2018
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Freigeschaltet durch André OttDie Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur kritisiert Stereotype im interreligiösen Gespräch. Dialogveranstaltungen seien "eine zunehmend frustrierende Erfahrung", sagte die Kölnerin mit iranischen Wurzeln dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Ihre Versuche, ein modernes und plurales Verständnis des Islam zu vermittelten, scheiterten regelmäßig an der Hartnäckigkeit gängiger Klischees. "Auf die Dauer kam mir das alles komplett sinnlos vor. Ich hatte permanent das Gefühl: Du bist hier falsch! Ständig wollen dir die Leute deine Religion ausreden!"
Amirpur übernahm 2018 den Lehrstuhl für Islamwissenschaft mit Schwerpunkt iran- und schia-bezogene Studien an der Universität zu Köln. Zuvor war sie sieben Jahre lang Professorin für Islamische Studien an der Universität Hamburg und wurde dort auch Vize-Direktorin der Akademie der Weltreligionen. Aus "eigenem Erleben" beklagte sie einen Alltagsrassismus in Deutschland, der "so häufig und scheinbar so normal" sei, dass er ihr manchmal nicht einmal mehr auffalle. "'Sie sprechen aber gut Deutsch!' Was meinen Sie, wie oft ich diesen Satz immer noch höre. Mir liegt dann immer ein 'Danke, Sie auch!' auf der Zunge." Im Umgang mit dem Islam und den Muslimen in Deutschland beobachtet Amirpur eine negative Entwicklung.
"In letzter Zeit fallen wir zurück hinter die Standards, die wir glaubten, erreicht zu haben." Als Beispiel nannte sie die Debatte über die Verschleierung muslimischer Frauen. Das Kopftuch werde ideologisch zu sehr aufgeladen. In Wahrheit sei es mit Blick auf Frauenrechte und die Stellung der Frau in der islamischen Welt etwas eher Nachrangiges. In Deutschland wiederum würden junge Musliminnen als "Kopftuchmädchen" vorgeführt und diffamiert. "Das zeigt doch: Da geht es gar nicht um Frauenrechte, sondern das ist Teil eines Rassismus-Diskurses", so Amirpur. Insofern habe Ex-Fußballnationalspieler Mesut Özil mit seinem Rassismus-Vorwurf einen "empfindlichen Punkt" getroffen. "Seit wir in Deutschland nicht mehr auf 'die Türken' zeigen können, weil viele Türkischstämmige inzwischen eingebürgert sind und ihren deutschen Pass haben, ist es jetzt eben 'der Muslim', der anders ist. Und der kann nicht eingebürgert werden."
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger (ots)