Frühjahrsgutachten: Nachhaltigere Haushaltspolitik angemahnt
Archivmeldung vom 13.04.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie führenden Wirtschaftsforschungsinstitute mahnen eine nachhaltigere Haushaltspolitik in Deutschland an. Verantwortlich für die gegenwärtigen Überschüsse im Staatshaushalt seien vor allem das extrem niedrige Zinsniveau und ein demografisches Zwischenhoch. Langfristig würden diese Faktoren allerdings wegfallen, schreiben die Konjunkturexperten in ihrem Frühjahrsgutachten, wie die "Welt" aus informierten Kreisen erfuhr.
Im laufenden Jahr sollen die öffentlichen Kassen demnach einen Überschuss von nur noch 11 Milliarden Euro erzielen, nachdem das Plus im vergangenen Jahr noch bei 21 Milliarden Euro lag. Im Jahr 2017 soll der staatliche Überschuss dann auf rund 10 Milliarden Euro fallen. Die Ausgaben für Bewältigung der Flüchtlingskrise sind dabei bereits berücksichtigt. Sobald die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen wieder anhebt, würde der Überschuss aber rapide dahinschmelzen, heißt es in dem Gutachten, dass am Donnerstag der Bundesregierung übergeben wird. Es werde sich dann sehr schnell ein Defizit ergeben.
Die Wirtschaftsforscher raten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seinen Kollegen in den Ländern und Kommunen daher dazu, die vorhandenen Überschüsse auf keinen Fall für verteilungspolitische Maßnahmen auszugeben, die längerfristig große Summen in künftigen Haushalten binden werden. Die derzeit in der Regierungskoalition diskutierte Lebensleistungsrente wird in dem Gutachten zwar nicht explizit angesprochen, dürfte mit dieser Warnung aber auch gemeint sein. Stattdessen fordern die Ökonomen, die Mittel für Investitionen oder aber für Sprachschulungen und Integrationskurse für Flüchtlinge auszugeben. Dort sei das Geld gut angelegt. Die auf den Arbeitsmarkt kommenden Flüchtlinge werden mit dafür sorgen, dass die Arbeitslosigkeit wieder steigen dürfte: Während die Ökonomen für dieses Jahr mit rund 2,7 Millionen Arbeitslosen rechnen, werden es 2017 rund 100.000 Arbeitslose mehr sein. Die Arbeitslosenquote steigt von 6,2 Prozent in diesem auf 6,4 Prozent.
In dem Gutachten mit dem Titel "Moderater Aufschwung" prognostizieren die Forscher für dieses Jahr ein Wachstum von 1,6 Prozent und im kommenden Jahr von 1,5 Prozent. Zuvor waren die Forscher noch von einem Plus von 1,8 Prozent in diesem Jahr ausgegangen. Die Wirtschaft der gesamten Euro-Zone soll in diesem Jahr kalenderbereinigt um 1,4 Prozent wachsen und im kommenden Jahr etwas stärker um 1,6 Prozent.
Die Ökonomen gehen zudem davon aus, dass der Ölpreis nicht weiter fallen wird. Dadurch dürfte im kommenden Jahr die Inflation wieder steigen, die zuletzt kaum noch vorhanden war. Für dieses Jahr erwarten die Prognostiker demnach 0,5 Prozent Inflation und im kommenden Jahr 1,5 Prozent. Beteiligt an dem Frühjahrsgutachten, der sogenannten Gemeinschaftsdiagnose, sind unter anderem das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo), das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung Essen (RWI).
Quelle: dts Nachrichtenagentur