Ministerpräsidenten wollen viele Spielstätten drastisch verkleinern
Archivmeldung vom 21.10.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Zahl der Automaten in den 12.300 Spielhallen in Deutschland soll nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" drastisch reduziert werden. Das wollen die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer bei einem Treffen kommende Woche in Lübeck beschließen. Strenge Auflagen sollen verhindern, dass immer mehr Leute immer mehr Geld an den Automaten verspielen. Die Spielhallen-Branche will sich mit Schadenersatz-Forderung von bis zu vier Milliarden Euro gegen eine ihrer Ansicht rechtswidrige Enteignung wehren. Branchenführer Paul Gauselmann von der gleichnamigen Unternehmensgruppe kündigt eine "Prozessflut" an. Ein Gutachten dazu liege bereits vor.
Die Länder berufen sich in einer Vorlage für die Ministerpräsidenten auf alarmierende Zahlen zur Spielsucht. Nach Angaben der Universität Hamburg kassierten die Spielhallen 56 Prozent ihrer Erlöse von Kunden, die den Automaten verfallen seien. Die Vorlage enthält auch drastische Zahlen der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren. 40 Prozent der Leute an den Automaten in den Spielhallen und Gaststätten "haben im Laufe der Zeit Schulden von bis zu 10000 Euro angehäuft". Weitere 40 Prozent hätten "noch weit höhere Beträge verspielt".
Nach den Plänen der Länder werden neue Vergnügungsstätten mit mehr als zwölf Automaten werden nicht mehr erlaubt, bereits bestehende Hallen mit mehreren Dutzend Geräten müssen nach einer Übergangszeit von fünf Jahren verkleinert oder geschlossen werden, von Ausnahmen abgesehen. Branchenexperten schätzen, dass 100.000 der 150.000 Automaten verschwinden in den Spielhallen würden. Hinzu kommen fast 90.000 Geräte, die in 50.000 Kneipen stehen. Auch dort sind Einschränkungen vorgesehen.
Außerdem müssen die Spielhallen, die teilweise rund um die Uhr geöffnet haben, den Plänen zufolge künftig drei Stunden pro Tag schließen. Die einzelnen Länder können sogar noch längere Sperrzeiten verfügen. Das sei notwendig, so die Begründung, weil süchtige Zocker "extrem lange" in den Spielhallen verweilten.
Deren Betreiber müssen außerdem die Werbung stark reduzieren. Begriffe wie "Casino", so nennen sich inzwischen viele Spielstätten, sind nicht mehr erlaubt. Die Automaten sollten wieder zu einem "harmlosen Zeitvergnügen" werden, steht in der Vorlage für die Länderchefs. Es gelte, "spielbankenähnliche Großspielhallen" zu verhindern.
Gauselmann verweist darauf, dass die Länder selbst Spielbanken und andere Glücksspiele betreiben und daran mehrere Milliarden Euro im Jahr verdienen. Die Ministerpräsidenten wollten ihr Glücksspielkartell retten und sich "die Konkurrenz vom Hals halten", um selbst kassieren zu können, sagte Gauselmann der "Süddeutschen Zeitung". Er wirft den Ländern vor, die Gefahr an den Automaten drastisch zu übertreiben. Weniger als ein Prozent der Kunden seien süchtig, mehr als 99 Prozent kämen der Spielfreude wegen. Gerade mal drei bis vier Prozent der Erlöse stammten von pathologischen Spielern. Ein Automaten-Verbot werde nur dazu führen, dass noch mehr Leute im Internet spielten, sagte Gauselmann.
Quelle: dts Nachrichtenagentur