Weil: Drohen Teile der Bevölkerung zu verlieren
Archivmeldung vom 27.07.2024
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićNiedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat das Erscheinungsbild der Ampel-Regierung scharf kritisiert. "Wir drohen, Teile der Bevölkerung zu verlieren. Der Frust im Land wächst und das Vertrauen in Politik und Staat sinkt", sagte Weil dem Nachrichtenportal T-Online.
In so einer Lage müsse die Regierung Verlässlichkeit und Sicherheit
ausstrahlen. "Zuletzt hat die Ampel nicht selten das Gegenteil getan und
ihren Streit auch um zweitrangige Themen nach außen getragen." Weil
nahm dabei ausdrücklich seine eigene Partei nicht aus: Seine Kritik
gelte für "SPD, Grüne und FDP gleichermaßen".
Der dienstälteste
SPD-Ministerpräsident widersprach in dem Zusammenhang
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der nach der Europawahl sagte, die
Konflikte in der Ampel ließen sich nicht durch "Kabinenpredigten"
befrieden. "Für das Innenverhältnis mag das stimmen, für den
Außenauftritt ist das aber nicht zu empfehlen." Die Menschen hätten kein
Interesse daran, Parteien beim Streiten zuzusehen, sondern wollten
wissen, wie sich Politik auf ihr Leben auswirke. "Wenn ich mir die
monatelange Diskussion um den Haushalt ansehe, ist für mich klar: Die
Ampel muss ihr Auftreten und ihre Kommunikation verbessern."
Zugleich
warnte der Sozialdemokrat vor einem vorzeitigen Koalitionsende: "Ich
glaube nicht, dass wir das Land stabilisieren, wenn wir jetzt Neuwahlen
ausrufen." Die Haushaltseinigung habe gezeigt, dass sich die Ampel
zusammenraufen könne. Die Bundesregierung habe zudem viele Erfolge
vorzuweisen. Nur gehe diese gute Arbeit im "Dauerzoff der Ampel" unter.
Außerdem
geht Weil nach der historischen Niederlage bei der Europawahl mit
seiner Partei hart ins Gericht. "Offenbar machen wir etwas falsch, sonst
hätten wir keine solche Wahlschlappe erlebt", sagte der SPD-Politiker.
Weil kritisiert zudem die schleppende Aufarbeitung seitens Bundes-SPD.
"Nach so einem Ergebnis darf man nicht zur Tagesordnung übergehen."
Erste Analysen gingen in die richtige Richtung, aber es gebe noch keine
konkreten Konsequenzen. "Wenn wir das bei der Bundestagswahl im nächsten
Jahr verhindern wollen, müssen wir jetzt die Lehren ziehen", warnte der
Sozialdemokrat.
Dazu gehöre, dass sich die Sozialdemokratie
"noch stärker und intensiver als bisher um die viel zitierte arbeitende
Mitte" bemühe. Wie genau, müsse die Partei nach der Sommerpause intern
klären und umsetzen. Klar sei aber, dass die SPD offenbar derzeit nicht
den richtigen Ton treffe, um etwa junge Menschen oder Arbeiter zu
überzeugen.
Einem Wechsel an der Parteispitze erteilte der
dienstälteste Ministerpräsident der SPD jedoch eine Absage. Infolge der
Wahlniederlage geriet unter anderem Generalsekretär Kevin Kühnert
parteiintern unter Druck. Weil stärkte Kühnert nun demonstrativ den
Rücken: "Das habe ich schon oft erlebt: Wenn eine Wahl schlecht läuft,
waren die Plakate schuld und damit der Generalsekretär, der sie drucken
ließ." Das sei ihm "zu billig", solche Personaldebatten lenkten oft vom
eigentlichen Problem ab. Und das habe mit Inhalten und Kommunikation zu
tun.
Quelle: dts Nachrichtenagentur