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Polizeigewerkschafter Rainer Wendt und Jugendrichter Andreas Müller für Herabsetzung der Strafmündigkeit in besonders schweren Fällen

Archivmeldung vom 25.07.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.07.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Kinder kommen sehr gut alleine zurecht. Leider ist unsere Gesellschaft so ausgerichtet, daß diese nur noch im schlafen Zeit für sich haben (Symbolbild)
Kinder kommen sehr gut alleine zurecht. Leider ist unsere Gesellschaft so ausgerichtet, daß diese nur noch im schlafen Zeit für sich haben (Symbolbild)

Bild: Helene Souza / pixelio.de

Zwölfjährige sollten künftig strafmündig sein, sofern es sich um besonders schwere Straftaten handelt und die Familien eine Zusammenarbeit mit den Jugendbehörden verweigern. Diese Auffassung vertraten der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, und der Jugendrichter Andreas Müller in der neuen Folge der DISKUTHEK, dem Debattenformat des stern auf Youtube.

Sie äußerten sich damit zur Diskussion um eine Herabsetzung der Strafmündigkeit, die nach dem Aufsehen erregenden Fall einer von fünf 14- und 12-Jährigen verübten mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung in Mülheim an der Ruhr aufgekommen war.

Wendt und Müller fanden in der stern-DISKUTHEK zu dem Kompromiss nach einer intensiven Diskussion. Der Gewerkschafter hatte darin zunächst seine Forderung nach einer generellen Herabsetzung der Strafmündigkeit erneuert, während Müller diesen Schritt als rechtspopulistisch verurteilte. Dem Kompromiss, in besonders schweren Fällen auch Zwölfjährige für ihre Tat gerichtlich verantwortlich zu machen, stimmte er während der Sendung in erster Linie zu, damit so wiederkehrenden populistischen Forderungen nach härteren Strafen Einhalt geboten werden könne. Die Zahl schwerer Straftaten durch Kinder gehe seit Jahren zurück, es sei bekannt, dass eine Verschärfung der Strafen keine Tat verhindere, sagte Müller.

Für den erfahrenen Richter ist die Erziehung von unter 14-Jährigen "Elternrecht", da brauche der "Staat nicht ran", so Müller in der stern-DISKUTHEK. Wendt stellte zunächst klar: "Niemand hat gefordert: 'Kinder in den Knast'." Dennoch sei es für ihn notwendig, dass der Staat bei schweren Verbrechen - auch bei Zwölfjährigen - Stärke zeigt. Man kriege "Kontakt mit dem Staat" und bekomme gesagt: "Das ist eine Straftat, was du da begangen hast." Mit einem solchen "Reifeprozess" könne man gar nicht früh genug anfangen, so der Polizeigewerkschafter.

Müller betonte in der Diskussion immer wieder seine langjährige Erfahrung als Jugendrichter und erklärte: "Ich habe 14-jährige Pausbacken vor mir stehen, da weiß ich, die kriegen kaum mit, was im Saal passiert. Und dann soll ich Zwölfjährige verurteilen?" Das bringe nach seiner Erfahrung gar nichts. Er sieht dagegen auch die Polizei in der Verantwortung. So wüssten zum Beispiel die wenigsten Beamten, dass auch die Polizei Familiengerichte "direkt ins Boot holen" könne, ohne zunächst die Jugendämter einschalten zu müssen.

Wendt, der für seine wiederholt geäußerte Forderung nach einer Senkung der Strafmündigkeit klare Absagen vom Deutschen Richterbund und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) bekommen hatte, warf sowohl Lambrecht als auch seinem DISKUTHEK-Gegenüber Müller eine "Verhinderungsdebatte" vor. Die Diskussion folge nach Ansicht Wendts zu oft der Maxime: "Geht nicht, wollen wir nicht, können wir nicht."

Umso überraschender die Einigkeit beider beim zweiten DISKUTHEK-Statement, zu dem die Gäste in der Sendung Position beziehen sollten: "Wir brauchen härtere Strafen, um die Jugendkriminalität zu senken". Sowohl Wendt als auch Müller sprachen sich klar gegen eine Verschärfung aus. Beide kritisierten dagegen die Umsetzung geltender Gesetze in der Praxis. So kritisierte Wendt, dass die bereits vorhandenen Gesetze "konsequenter angewendet" werden müssten. Müller forderte eine Veränderung "nicht im Sinne von Härte", sondern im "Sinne von Schnelligkeit". Daran sollte in Deutschland, so der Jugendrichter in der stern-DISKUTHEK, schleunigst gearbeitet werden. Grundsätzlich plädierte er dafür, "die Einzelfälle zu betrachten", aber nicht zu suggerieren, dass "an jeder Ecke 12- und 13-Jährige stehen, die uns vergewaltigen". Das sei nicht der Fall, selbst wenn in der Öffentlichkeit bisweilen der Eindruck entstehe, so Müller.

Quelle: Gruner+Jahr, STERN (ots)

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