Transparency: Flut von Studien führt zu Schlagseite im Lobbyismus
Archivmeldung vom 31.05.2019
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.05.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttDie Flut von Studien führt nach Einschätzung von Lobbyismus-Experten zu einer immer stärkeren Schieflage bei der Vertretung von Interessen in Deutschland. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ): "Gerade das Beispiel der Studien zeigt, dass der Lobbyismus in Deutschland eine Schlagseite hat. Denn Studien sind häufig sehr teuer, sodass sie sich nicht jeder leisten kann."
Jeder Bürger sollte nach den Worten von Müller aber die gleichen Chancen haben, sich zu artikulieren. "Ansonsten schadet das der Demokratie." Ideal wäre nach Vorstellung der Tranparency-Vorsitzenden, Pro- und Contra-Studien einzuholen. Sie forderte außerdem einen Lobbybeauftragten, "der vom Bundestag eingesetzt wird und dafür sorgt, dass alle Vorschriften der Lobby-Regulierung auch eingehalten werden". Und einmal im Jahr - Vorbild sei da der Wehrbeauftragte - müsse im Bundestag eine Debatte darüber stattfinden, wie es um den Lobbyismus bestellt sei.
Insbesondere für finanzstarke Lobbygruppen sei es leicht, "mit einer Auftragsstudie einen Punkt zu setzen", kritisiert auch Imke Dierßen, politische Geschäftsführerin von Lobby-Control. Sie betonte gegenüber der "NOZ": "Manche Studien zeichnen regelrechte Horrorszenarien, um politisch Druck zu machen." Dierßen bezeichnete es zugleich als wichtig, dass staatliche Stellen genügend eigenes Fachwissen haben, um unabhängig entscheiden zu können. Und sie bemängelte: "Daran mangelt es derzeit."
"Die Waffen bei der Interessenvertretung sind so ungleich verteilt, dass Lobbyismus die Demokratie zur Farce werden lässt", kritisierte der Lobbyismus-Experte Christian Kreiß, Professor für Finanzierung an der Hochschule Aalen. Er sagte der NOZ: "Wenn man sich anschaut, wieviel Geld zum Beispiel Umweltverbände oder Gewerkschaften haben, dann sind sie gegenüber Unternehmen und der Kapitalseite stark im Hintertreffen." Das gelte auch für Stiftungslehrstühle und ebenso für die Lobbyisten in Berlin. "Auch da haben wir eine starke Schlagseite zugunsten der kapitalkräftigen Seite."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)