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Verfassungsrechtler: Kanzler-Wahlkampf 1998 "verfassungswidrig"

Archivmeldung vom 28.04.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.04.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
NDR / Das Erste
NDR / Das Erste

Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde finanziell stärker vom umstrittenen AWD-Gründer Carsten Maschmeyer unterstützt als bislang bekannt. Neben einer zunächst anonymen Spende für Schröders Landtagswahlkampf 1998 über 650.000 DM, über die bereits öffentlich berichtet wurde, gab es nach Recherchen des NDR Politmagazins "Panorama" (Sendung: Donnerstag, 28. April, 21.45 Uhr, Das Erste) offenbar eine weitere, bisher unbekannte Zuwendung Maschmeyers von rund 150.000 DM.

Darüber hinaus wurde Schröders Kanzler-Wahlkampf 1998 nach "Panorama"-Recherchen auch aus der niedersächsischen Staatskanzlei heraus geplant und organisiert, was nach Einschätzung des renommierten Düsseldorfer Verfassungsrechtlers Prof. Martin Morlok "eindeutig verfassungswidrig" war. Der damalige Chef der Staatskanzlei und heutige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, wusste offensichtlich von diesen verfassungswidrigen Aktionen und billigte sie. Das belegen seine Paraphen auf diversen Schriftstücken aus der Staatskanzlei Hannover, die "Panorama" vorliegen. Auf "Panorama"-Anfrage teilte Steinmeier schriftlich mit, dass etwaige politische Aktivitäten "außerhalb der dienstlichen Verantwortung dieser Mitarbeiter erfolgten".

Interview-Anfragen des Magazins lehnten Maschmeyer, Schröder und Steinmeier ab. Eine leitende Beamtin der Staatskanzlei, Bettina Raddatz, die dort auch schon 1998 in führender Position tätig war, bestätigt jedoch auf Vorhalt die Vorgänge und die Echtheit der Dokumente. Sie selbst sei maßgeblich an den Aktionen beteiligt gewesen und müsse heute zugeben, aus Begeisterung für Schröders Kurs "über das Ziel hinausgeschossen" zu sein. Wenn Steinmeier - wie in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber "Panorama" - heute allerdings so tue, als hätten einzelne Mitarbeiter der Staatskanzlei allenfalls außerhalb der Dienstzeit und privat Wahlkampf für Schröder gemacht, werde er durch die "Aktenlage" widerlegt, so Raddatz.

Auch die bisher unbekannte zweite Spende zugunsten von Gerhard Schröder wurde offenbar aus der niedersächsischen Staatskanzlei heraus organisiert, wie "Panorama" vorliegende Dokumente aus dem Jahr 1998 belegen. Bekannt war bereits, dass Maschmeyer am Ende des Landtagswahlkampfes 1998 für 650.000 DM eine Großanzeige für den damaligen Ministerpräsidenten Schröder geschaltet hatte. Dessen Sieg war dermaßen fulminant, dass er damit gleichsam automatisch SPD-Kanzlerkandidat wurde und seinen "linken" Rivalen Oskar Lafontaine aus dem Rennen warf. Maschmeyer gab später zu, genau das gewollt zu haben.

Nun fand "Panorama" heraus, dass er offenbar kurze Zeit darauf noch einmal rund 150.000 DM spendete. Mit diesem Geld wurden offensichtlich wiederum teure Anzeigen für Gerhard Schröder in der "Welt", "Welt am Sonntag" und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geschaltet. Wieder blieb Maschmeyer anonym, das Geld floss offenbar über einen Strohmann zu den Verlagen. Im Unterschied zur ersten Spende war maßgeblichen Funktionsträgern in der SPD die Strohmannkonstruktion offenbar bekannt, das zeigen die "Panorama" vorliegenden Dokumente. Eine solche Konstruktion sei eindeutig illegal, so Verfassungsrechtler Morlok. Die SPD hätte auf so ein "Strohmann-Modell" niemals eingehen dürfen.

Frank-Walter Steinmeier, dessen Zeichnungskürzel sich auf den Dokumenten findet, schrieb "Panorama": "Ob überhaupt, von wem und an welchen Empfänger Geld überwiesen wurde, entzieht sich meiner Kenntnis." Maschmeyer teilte mit, er könne sich an einen solchen Vorgang "nicht erinnern".

Quelle: NDR / Das Erste

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