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Staatsrechtler übt heftige Kritik am Bundesverfassungsgericht

Archivmeldung vom 17.03.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.03.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Roben der Richter am Bundesverfassungsgericht
Roben der Richter am Bundesverfassungsgericht

Foto: UrEvilboyheber
Lizenz: CC-BY-SA-3.0-de
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der renommierte Staatsrechtler Josef Isensee kritisiert die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts scharf. Die letzten vier Urteile seien sämtlich überflüssig, sagte er der "Welt". Zudem habe das Gericht in allen Fällen seine Kompetenzen "deutlich überschritten", sagte Isensee. "Das Verfassungsgericht hat nicht nur in den beiden Entscheidungen zum Europawahlrecht, sondern auch in den beiden Entscheidungen zum Bundestagswahlrecht seine Zuständigkeiten deutlich überschritten", sagte der Staatsrechtler.

Das Grundgesetz lege nur allgemeine Wahlrechtsgrundsätze für die Bundestagswahl fest. Mittelbar gelte das auch für die Wahlen zum europäischen Parlament. "Das bedeutet, dass damit das Wahlsystem vom Bundestag bestimmt, gestaltet und fortgeschrieben wird", so Isensee. Er teile die Einschätzung des Verfassungsgerichts, dass das Europäische Parlament auf europäischer Ebene nicht annähernd die Bedeutung habe, die der Bundestag oder ein Landtag innerhalb Deutschlands hätten. "Aber es ist eben die Frage, ob es ein Beobachter sagt oder das Bundesverfassungsgericht als deutsches Staatsorgan. Im Munde des Bundesverfassungsgerichts wirkt dieses Urteil als eine Geringschätzung des europäischen Parlaments und damit als ein unfreundlicher Akt", sagte er.

Als Folge der jüngsten Rechtsprechung sei das jetzige deutsche Wahlrecht zur Bundestagswahl noch mangelhafter als das ursprüngliche. "Hier hat das Bundesverfassungsgericht ohne Not in das gewachsene, leidliche und sicher auch in vielerlei Hinsicht politisch kritikwürdige System eingegriffen."

Zuvor hatten auch der Unionsfraktionsfraktionschef Volker Kauder und die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne), das Bundesverfassungsgericht attackiert. "Bei der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt man sich schon staunend die Frage, wo eigentlich Politik aufhört und Rechtsprechung beginnt", sagte Künast der "Welt".

Die von Karlsruhe gekippte Drei -Prozent -Klausel für die Europawahl habe ihren Sinn auch in den wachsenden Kompetenzen des Europäischen Parlaments gehabt. "Das hat das Bundesverfassungsgericht nicht beachtet", kritisierte sie. Kauder ermahnte das Bundesverfassungsgericht, mehr Rücksicht auf die Politik zu nehmen. "Ich beobachte mit Sorge, ob das Bundesverfassungsgericht dem Grundsatz der richterlichen Selbstbeschränkung noch den genügenden Stellenwert beimisst", sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag". "Das Parlament als unmittelbar vom Volk gewähltes Verfassungsorgan muss seinen politischen Gestaltungsspielraum behalten." Kauder wörtlich: "Ich bitte hier um mehr Rücksichtnahme."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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