SPD-Chef unterstützt Gewerkschaftsforderung nach "flexibler" 4-Tage-Woche mit Lohnausgleich
Archivmeldung vom 19.08.2020
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Freigeschaltet durch André OttSPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat sich hinter die IG-Metall-Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich gestellt, um Massenentlassungen zu verhindern. "Ich finde den Vorstoß der Gewerkschaften insgesamt gut, der Anfang ist längst gemacht", sagte Walter-Borjans im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ).
Die Frage des vollen oder teilweisen Lohnausgleichs sei zwar Sache der Tarifpartner, "eine direkte politische Einflussnahme lehne ich ab", sagte er. Der SPD-Chef betonte aber: "Die Wirtschaft darf die Krise nicht nutzen, um sich von Arbeitskosten zu befreien, sondern muss erkennen, wie wertvoll gute Löhne zur Ankurbelung der Konjunktur und für wirtschaftlichen Fortschritt sind. Das heißt: Arbeitszeitverkürzung ja, aber nicht zum Nulltarif."
"Wenn bei einer Vier-Tage-Woche das Gehalt für Abertausende Arbeitnehmer nicht mehr reicht, sich die Unternehmen einen schlanken Fuß machen und die Sozialämter einspringen müssen, führt das nicht weiter", ergänzte Walter-Borjans. "Wer jetzt schon schauen muss, wie er mit seinem Einkommen klarkommt, darf durch eine Arbeitszeitverkürzung nicht in eine prekäre Lage gedrückt werden."
Einwände aus der Wirtschaft, ein Lohnausgleich für kürzere Arbeitszeiten schade der Wettbewerbsfähigkeit, wies der SPD-Chef zurück. "Viele Arbeitgeber denken längst anders und wissen um die Notwendigkeit, qualifizierte Arbeit in Deutschland zu erhalten." Es gebe auch sicher nicht "die eine Lösung mit einer starren 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich für alle". Gefragt seien flexible Arbeitszeitmodelle. "Aber es ist möglich, den Wohlstand insgesamt bei kürzerer Pro-Kopf-Arbeitszeit zu erhalten. Darauf müssen sich die Arbeitgeber einstellen und können nicht ihre nicht länger benötigten Mitarbeiter vor die Tür setzen, die Rationalisierungsgewinne einstreichen und die Kosten der Allgemeinheit aufdrücken", so Walter-Borjans. Für die Arbeitnehmer gehe es "nicht nur um Freizeitgewinn, sondern um die Nutzung der zusätzlichen Zeit etwa für Weiterbildung", betonte er.
Die IG Metall hatte zur Rettung von Jobs in der Metall- und Elektroindustrie eine Vier-Tage-Woche ins Gespräch gebracht. Gewerkschaftschef Jörg Hofmann sprach von "einem gewissen Lohnausgleich für die Beschäftigten, damit es sich die Mitarbeiter leisten können". Arbeitgeberverbände und der CDU-Wirtschaftsrat reagierten ablehnend auf den Vorstoß und verwiesen auf steigende Produktionskosten.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)