Ostbeauftragter beklagt Dominanz städtischer Eliten
Archivmeldung vom 04.10.2024
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), beklagt eine Diskurshoheit städtischer Eliten und sieht Deutschland als eine "Klassengesellschaft" auf Kosten von Ostdeutschen und Migranten. "In Deutschland bestimmen eher städtische Eliten die öffentlichen Debatten. Sie entscheiden, was in Fernsehen, Rundfunk, Online oder in den Zeitungen berichtet wird, und was nicht", sagte er dem "Tagesspiegel".
"Viele Städter, eher Akademiker und ökologisch bewegt, tragen ihren
Lebensstil als Ideal vor sich her", so Schneider. Dabei sei "der
CO2-Fußabdruck der urbanen Eliten viel größer als der von Menschen etwa
in Schneeberg im Erzgebirge", sagte der SPD-Politiker. "Die fliegen oft
nur alle fünf Jahre nach Bulgarien oder fahren mit einem alten Auto an
die Ostsee. Sie haben bisher diese Bevormundung hingenommen. Seit sie
aber durch politische Entscheidungen ihren Lebensstil bedroht sehen,
wehren sie sich."
Beim beruflichen Aufstieg seien in Deutschland
"Vitamin B, also die richtigen Beziehungen, und die Fähigkeit, das
Alphabet ohne Akzent aufzusagen enorm wichtig", beklagte der
SPD-Politiker: "Bei der Rekrutierung suchen Chefs neue Mitarbeiter zu
oft nach Ähnlichkeit aus", nach Bewerbern, die an der gleichen Uni
gewesen seien, oder die das gleiche Hobby pflegten. "Und meistens sind
sie westdeutsch. Deshalb fehlen ostdeutsche Aufsteiger, aber es gibt
auch wenig Migranten, die Karriere machen. Deutschland ist eine
Klassengesellschaft, damit verschenkt sich das Land große Chancen."
Schneider
sprach von einem "tiefen Graben zwischen öffentlicher und
veröffentlichter Meinung". In Deutschland herrsche Meinungsfreiheit,
"aber die Menschen haben das Gefühl, dass ein bestimmtes Meinungsklima
die Debatten bestimmt und ihre Meinung nicht vorkommt. Das sorgt für
Frust."
Als im ZDF-"Heute Journal" mit dem Gendern begonnen
worden sei, habe er, sagte Schneider, gewusst: "Jetzt bekommen wir ein
Problem mit unserer Bevölkerung. Die Menschen, zumal wenn sie älter als
60 Jahre sind, wollen alles, aber keine Sprecherziehung. Sie sind seit
der DDR-Zeit sehr sprachsensibel."
Er kenne kaum jemanden, der
die DDR zurückhaben wolle, seit den 2010er Jahren aber erlebe man, wie
sich eine "ostdeutsche Identität" bilde. "Weil die Anpassung und
Nachahmung des Westens nicht zur Anerkennung geführt hat und weil von
außen stets auf 'den Osten' gezeigt wurde", sagte Schneider. Jetzt zeige
sich: "Die 35 Jahre nach Mauerfall waren für die Menschen teilweise
prägender als die 40 Jahre DDR davor."
Quelle: dts Nachrichtenagentur