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Die "Lizenz zum Töten" für Polizisten ?

Archivmeldung vom 10.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Der Nordrhein westfälische Innenminister Ingo Wolf (FDP) plant die Einführung eines Gesetzes, welches Polizisten dazu ermächtigen soll, in Gefahrensituationen einen gezielten Schuss abzugeben.

NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) will die gezielte Tötung von "Gefährdern" in das Polizeigesetz aufnehmen. Ein Schritt, der längst überfällig war, finden die Polizeigewerkschaften. Doch die Opposition ist skeptisch. Die Beamten benötigten keine "Lizenz zum Töten", heißt es.

Polizeikontrolle an einer Landstraße. Die Beamten suchen einen flüchtigen Bankräuber. Ein Motorradfahrer soll sich ausweisen. Der Biker greift in seine Jackentasche – aber nicht, um seine Papiere herauszuholen. Er zieht eine Pistole und eröffnet das Feuer. Hauptkommissar Carsten von Halfern schießt zurück – und trifft. Der Mann in der dunklen Lederkluft bricht zusammen.

Eine dramatische Situation. Sie spielt sich zum Glück nicht in der Realität, sondern im "Schießkino" des Düsseldorfer Polizeipräsidiums ab. In der Trainingshalle üben die Beamten den Schusswaffengebrauch unter realistischen Bedingungen, die ein Computerprogramm simuliert. "Ziel ist es, die Kollegen fit für den Einsatzalltag zu machen", erklärt Michael Jekutsch, Leiter der Fortbildungsstelle im Düsseldorfer Polizeipräsidium.

Immer wieder geraten Polizisten unvermittelt in gefährliche Situationen. In Köln versuchten Jugendliche jüngst, zwei Beamte in einen Hinterhalt zu locken und zu töten. Die Beamten schlugen die Angreifer durch Warnschüsse in die Flucht. Gezielte Schüsse dürfen laut Polizeigesetz nur in Notwehrsituationen abgefeuert werden, um Täter angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Einen Bankräuber zu erschießen, der Unschuldige bedroht, ist gesetzlich nicht erlaubt.

Das soll sich jetzt ändern. Das NRW-Innenministerium plant, die gezielte Tötung von "Gefährdern" bei der Novellierung des Polizeigesetzes zu regeln. Bislang spielte der "finale Rettungsschuss" in der Polizeistrategie vor allem zur Beendigung von Geisellagen ein Rolle. Künftig könnte er jedoch auch an Bedeutung gewinnen, um Amokschützen, Selbstmordattentäter und Terroristen unschädlich zu machen.

Zwölf Bundesländer ermächtigen die Polizei bereits dazu, gezielt tödliche Schüsse abzugeben. So ist der Rettungsschuss in Bayern erlaubt, wenn er "das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr" darstellt. Zunächst müssen aber alle anderen Mittel versagt haben. Ohne intensive Verhandlungen mit einem Geiselnehmer geführt zu haben, darf nicht geschossen werden.

Polizeigewerkschaften in Nordrhein-Westfalen halten die Aufnahme des Rettungsschusses in das Polizeigesetz von NRW für lange überfällig. In der Regel werden wohl nur Scharfschützen von Spezialkommandos, die bei Geiselnahmen eingesetzt werden, mit der Situation konfrontiert, einen Täter töten zu müssen. "Grundsätzlich kann aber jeder Otto-Normal-Polizist in eine solche Lage kommen", sagt Frank Richter, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW.

"Es kann nicht sein, dass die Kollegen sich dabei in einer rechtlichen Grauzone befinden. Die Politik hat sich lange genug vor der Debatte um den Rettungsschuss gedrückt. Jetzt brauchen wir endlich Rechtsklarheit."

Die Opposition im Düsseldorfer Landtag sieht das anders. "Die vorhandenen Instrumentarien reichen aus", ist sich zum Beispiel Karsten Rudolph, innenpolitischer Sprecher der SPD, sicher. Der Schusswaffengebrauch sei in den Verwaltungsvorschriften der Polizei geregelt. "Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Polizist Probleme bekommen hätte."

Im Dezember 1999 verschanzte sich ein Täter mit drei Geiseln in der Aachener Filiale der nordrhein-westfälischen Landesbank. Der Mann hatte seinen Opfern scharfe Handgranaten um den Hals gehängt. Nach einem 50-stündigen Einsatz wurde der 46-jährige Kidnapper schließlich von einem Präzisionsschützen mit einem Kopfschuss gezielt getötet, als er mit seiner letzten Geisel in einem bereitgestellten Auto flüchten wollte. Die Einsatzleitung berief sich auf die Notstandsparagrafen 32 und 34 des Strafgesetzbuches, die regeln, dass eine in Notwehr begangene Tat nicht rechtswidrig ist – eine Hilfskonstruktion.

Monika Düker, Innenexpertin der Grünen, hält nichts davon, den finalen Rettungsschuss in das Polizeigesetz aufzunehmen. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, als ob die Polizisten die Lizenz zum Töten hätten", sagte die Düsseldorferin. Die Regierungsparteien CDU und FDP hatten sich im Koalitionsvertrag im Jahr 2005 auf die Novelle verständigt.

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