Zeitung: Bundesregierung scheitert bei Reform des Prostitutionsgesetzes
Archivmeldung vom 08.04.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Bundesregierung wird nach Informationen der "Welt am Sonntag" eine zweite Chance vertun, effektiver gegen Menschenhandel vorzugehen. Nachdem es die schwarz-gelbe Koalition schon nicht geschafft hat, eine entsprechende EU-Richtlinie rechtzeitig umzusetzen, wird es ihr voraussichtlich auch nicht gelingen, die seit Jahren angekündigten Änderungen am Prostitutionsgesetz noch vor der Bundestagswahl auf den Weg zu bringen.
In beiden Angelegenheiten sind sich Union und FDP in wichtigen Fragen uneins. "Das Problem dieses Gesetzes ist, dass der Beruf einer Prostituierten praktisch ein bürgerlicher Beruf werden sollte", sagte der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl der "Welt am Sonntag". "Das wird er allerdings niemals sein." Prostitution spiele sich zum allergrößten Teil in einem "ganz und gar kriminogenen Milieu" ab. Uhl sieht einen gravierenden Nachteil im geltenden Gesetz, dass der Fahndungsvorteil der Polizei weg sei. "Sie kommt in kein Bordell zu Kontrollen einfach so rein - und es ist nichts an dessen Stelle gesetzt worden."
Menschenhandel und Zwangsprostitution hätten zugenommen, durch das rot-grüne Gesetz und auch durch die Osterweiterung der EU. "Der Staat wurde taub, blind und dumm gemacht." Deswegen sei es "höchste Zeit, dass wir in dieser Hinsicht etwas unternehmen", sagte Uhl der "Welt am Sonntag" weiter. Die Innenexpertin der FDP, Gisela Piltz, hingegen sieht keinen wesentlichen Änderungsbedarf an der aktuellen Rechtslage. "Die bestehenden Gesetze reichen aus", sagte Piltz der "Welt am Sonntag".
Zwangsprostitution sei selbstverständlich schon heute strafbar, Menschenhandel auch. Es gebe bloß ein Umsetzungsdefizit. "Das löst man aber nicht mit neuen Gesetzen, wenn schon die alten nicht durchgesetzt werden." Ein wichtiger Punkt in ihren Augen sei das von drei auf sechs Monate verlängerte Bleiberecht für Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. "Das würde ich gerne vor der Bundestagswahl mit der Union noch umsetzen", sagte Piltz weiter. Viel Zeit bleibt dafür allerdings nicht mehr, die Sitzungswochen des Bundestages vor der Wahl sind gezählt. Und bisher gibt es nicht mal einen Termin, an dem sich das Kabinett mit dem Thema beschäftigen soll.
Auf Anfrage der "Welt am Sonntag" verweist das Justizministerium an das Bundesfamilienministerium, das in dieser Sache federführend sei. Und von dort heißt heißt es: Derzeit bestehe "noch weiterer interner Diskussionsbedarf". 2009 hatten Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie die Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung "mit den Möglichkeiten des Strafrechts" besser schützen und die Strafbarkeit von Freiern regeln würden.
Unterdessen muss eines der größten Strafverfahren gegen Menschenhändler, das je in Deutschland geführt wurde, eventuell neu aufgerollt werden. Der sogenannte "Pussy-Club"-Prozess erregte 2011 und 2012 bundesweit Aufsehen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entscheidet nach Informationen der "Welt am Sonntag" in den kommenden Wochen über einen Revisionsantrag, den die Verteidigerin eines der beiden Hauptangeklagten gestellt hat.
Quelle: dts Nachrichtenagentur