Rentenversicherer kritisieren Gesundheitspläne: "Wir sind kein Ersatz-Finanzamt"
Archivmeldung vom 12.07.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Deutsche Rentenversicherung (DRV) verlangt Änderungen am Kompromiss zur Gesundheitsreform. "Ich wehre mich dagegen, dass man die Rentenversicherung zum Ersatz-Finanzamt macht", sagte DRV-Präsident Herbert Rische dem Berliner "Tagesspiegel".
Er bezieht sich damit auf den Plan der Regierung, den Sozialausgleich für Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung künftig über Arbeitgeber und Rentenversicherer abwickeln zu lassen. "Wir sind für diese Aufgabe denkbar ungeeignet", stellte Rische klar.
In den Eckpunkten zur Reform findet sich die Formulierung, dass für den Sozialausgleich der einkommensabhängige Beitrag direkt bei Arbeitgebern und Rentenversicherungsträgern entsprechend reduziert werden solle. Dies sei über EDV "leicht handhabbar". Rische hält dagegen. "Automatisch und auf Knopfdruck wird gar nichts funktionieren." So müsse ja auch geprüft werden, ob ein Rentner nicht zusätzlich eine Betriebsrente oder eine Beamtenpension beziehe oder zusätzlich arbeiten gehe. "Diese Daten liegen uns nicht vor", betonte Rische. Wenn die Regierung dabei bleibe, dass die Rentenversicherer das leisten sollten, so der DRV-Präsident, "bekommen wir sicher noch ein Problem".
Nach Risches Worten werden die Rentenversicherer durch die Pläne zur Gesundheitsreform im nächsten Jahr mit 600 Millionen Euro zusätzlich belastet. Das liegt daran, dass sie sozusagen die Arbeitgeberbeiträge der Rentner bezahlen, die um 0,3 Prozentpunkte steigen. Durch die Streichung der Beitragszahlungen für Hartz-IV-Empfänger durch den Bund verlieren sie bereits 1,8 Milliarden Euro. Dies führe dazu, dass die Rentenbeiträge nicht wie geplant im Jahr 2014 sinken könnten, sondern bei 19,9 Prozent bleiben müssten.
Die Kürzung der Beiträge für Langzeitarbeitslose sei "nicht gerade ein Signal, dass die Regierung das Thema Altersarmut für Langzeitarbeitslose offensiv angeht", kritisierte Rische. Je geringer auf Dauer die gesetzlichen Renten ausfielen, desto eher drohe Altersarmut. Heute sei das noch kein Problem. "Aber wir können die Problemgruppen benennen, denen in 15 oder 20 Jahren Altersarmut droht: Langzeitarbeitlose, Niedriglohn-Bezieher, kleine Selbstständige, Menschen mit Erwerbsminderung." Der DRV-Präsident begrüßte es, dass sich im kommenden Jahr eine Kommission mitdem Thema beschäftige. Die Frage werde sein, welche Spielräume sie erhalte, sagte Rische. Richtig sei es, "gezielt gegen drohende Altersarmut vorzugehen und nicht mit der Gießkanne Geld zu verteilen".
Quelle: Der Tagesspiegel