Berliner Koalition streitet über Verbeamtung von Lehrern
Archivmeldung vom 29.03.2019
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.03.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttDer rot-rot-grünen Koalition in Berlin droht ein Streit über die Schulpolitik. Die SPD will am Samstag auf ihrem Landesparteitag über die Rückkehr zur Verbeamtung von Lehrern abstimmen.
"Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile halte ich die Verbeamtung für sinnvoll, um voll ausgebildete Lehrkräfte halten zu können und wettbewerbsfähig zu sein", sagte die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) der "Welt". In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Linke und Grüne noch grundsätzlich für den Vorrang von Angestelltenverhältnissen vor Beamtenverhältnissen ausgesprochen. Bei den Koalitionspartnern stößt das Ansinnen der Sozialdemokraten auf Widerstand. Linke-Fraktionschefin Carola Bluhm pocht auf Einhaltung des Koalitionsvertrages: "Wir halten an unserer Position fest. Eine Wiedereinführung der Verbeamtung wird den Lehrkräftemangel nicht lösen", sagte Bluhm der "Welt": "Durch Verbeamtung wird die Zahl der Lehrkräfte nicht größer, da hilft nur mehr ausbilden."
Eine erneute Verbeamtung würde dem Land höhere Kosten verursachen und gleichzeitig die Solidargemeinschaft schwächen, weil den Sozialversicherungen eine große Gruppe von überdurchschnittlichen Einzahlerinne
n und Einzahlern entzogen würde, so Bluhm. "Für das Problem des Lehrkräftemangels gibt es keine eingleisige Lösung. Alle Beteiligten müssen an einen Tisch, um schnell umsetzbare Maßnahmen zu erarbeiten." Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel sagte, die Verbeamtungsdebatte verkenne die Bedeutsamkeit von Erziehern, Sozialarbeitern und anderen nicht akademischen Berufen, die mit den Lehrkräften zusammenarbeiten. "Das moderne Klassenzimmer sollte aus multiprofessionellen, diversen Teams bestehen - die Verbeamtung stellt ein unnötiges Ungleichgewicht her", sagte Gebel der "Welt".
Unverständnis löste die Debatte bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus. "Ich bin höchst irritiert, dass die SPD innerhalb weniger Wochen so umgeschwenkt ist - und zwar ohne uns als Fachgewerkschaft zu konsultieren", sagt der Berliner GEW-Chef Tom Erdmann. Bei einer Rückkehr zur Verbeamtung blieben ausgerechnet jene langjährigen Angestellten auf der Strecke, "die jahrelang das Rückgrat der Berline r Schule waren und jetzt zu alt sind für eine Verbeamtung", sagte Erdmann der "Welt". Er nannte die Volte der SPD "puren Aktionismus". Schließlich seien die Sozialdemokraten an den Koalitionsvertrag gebunden: "Die SPD weckt damit nur Erwartungen, die sie nicht erfüllen kann. Sie wird damit definitiv Enttäuschungen produzieren." Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, zeigte hingegen Verständnis für das Ansinnen der SPD. "Die Verbeamtung spielt bei der Frage, wohin sich Lehramtsabsolventen bewerben, eine nicht geringe Rolle", sagte Meidinger der "Welt". "Sachsen und Berlin sind mit einer Quote von 50 bis 80 Prozent Quereinsteigern unter den Neueinstellungen an Grundschulen die ganz großen Verlierer dieser Entwicklung." Sachsen war zuletzt ebenfalls zur Verbeamtung von Lehrern zurückgekehrt. Einzig in Berlin ist dies noch nicht möglich.
Quelle: dts Nachrichtenagentur